Im Tal der flammenden Sonne - Roman
»Ich will unsere Stadt ja nicht abwerten, aber Sie haben sich einen sonderbaren Ort für Ihren Aufenthalt ausgesucht. Sind Sie allein gekommen?«
»Ja, aber nicht freiwillig«, erwiderte Arabella seufzend. »Der Zug ist ohne mich weitergefahren.«
»Der Zug ist ohne Sie weitergefahren …?«, wiederholte Terry, der überhaupt nichts mehr verstand.
»Ja, der Afghan-Express. Der Zug musste auf offener Strecke halten, weil ein Tierkadaver auf den Schienen lag und die Gleise vom Sand zugeweht waren, und da bin ich ausgestiegen. Dabei bin ich gestürzt und hab mir den Knöchel verstaucht. Plötzlich fuhr der Zug wieder an, und ehe ich mich’s versah, war er fort.«
»Heiliger Strohsack!« Terry starrte sie offenen Mundes an. »Dann sind Sie die junge Frau, die man in der Wüste gefunden hat?«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Arabella verwundert.
»Ich habe in Lyndhurst mit einigen Aborigines gesprochen, die von anderen Eingeborenen erfahren haben, dass Angehörige vom Stamm der Arrernte eine Weiße in der Wüste aufgegriffen und in eine Stadt gebracht haben. Das müssen Sie gewesen sein.«
»Ja, das stimmt.«
Terry schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich wusste nicht, was ich von der Geschichte halten sollte. Sie klang so weit hergeholt …« Er hatte sogar über die Beschreibung der jungen Weißen gelacht, so absurd war ihm das Ganze vorgekommen.
»Meine Eltern sind nach Alice Springs gefahren. Glauben Sie, sie schicken von dort Aborigines, damit sie mich suchen?«, fragte Arabella hoffnungsvoll.
»Schon möglich«, antwortete Terry vorsichtig und musterte sie neugierig. »Warum sind Sie eigentlich mitten in der Wüste ausgestiegen, wenn ich fragen darf?«
»Ich wollte eine Blume pflücken«, gestand Arabella kleinlaut und wurde rot.
Terry starrte sie fassungslos an. »Kein Mensch würde auf diesen Gedanken kommen«, sagte er. »Man wird annehmen, dass Sie nachts versehentlich die falsche Tür geöffnet haben und aus dem fahrenden Zug gestürzt sind. Eine andere Möglichkeit wird man gar nicht in Erwägung ziehen, wenn ein Passagier aus einem Zug verschwindet.«
Arabella musste ihm Recht geben.
»Die zuständigen Behörden werden davon ausgehen, dass Sie ums Leben gekommen sind, Miss Fitzherbert«, fuhr der junge Constable fort. »Ich bezweifle, dass unter diesen Umständen ein Suchtrupp losgeschickt wurde. Ein kräftiger Mann kann in der Wüste höchstens achtundvierzig Stunden ohne Wasser überleben, eine zierliche Frau wie Sie vielleicht vierundzwanzig Stunden. Kein Mensch wird damit rechnen, dass Sie noch am Leben sind.«
»Meine Eltern schon!«, fuhr Arabella auf. »Sie werden nicht aufgeben, ich weiß es. Sie werden dafür sorgen, dass man mich sucht. Wer weiß, vielleicht macht mein Vater sich selbst auf die Suche.«
Terry wusste, dass die Behörden ihn daran hindern würden. »Zu Fuß würde es Monate dauern, die ganze Gegend abzusuchen. Sie können von Glück sagen, dass Sie noch am Leben sind.«
Arabella nickte langsam. »Ohne die Aborigines, die mich gefunden haben, sähe es anders aus«, sagte sie leise. Sie schämte sich jetzt dafür, wie sie sich diesen Menschen gegenüber benommen und wie schlecht sie von ihnen gedacht hatte.
»Da haben Sie wohl Recht.« Terry nahm seinen Hut ab und kratzte sich am Kopf. Seine Haare waren so hellblond, dass sie fast weiß schienen. Er wusste von anderen Menschen, die in der Wüste ein sehr viel schlimmeres Schicksal ereilt hatte. Doch das behielt er für sich.
Arabella straffte sich. »Jedenfalls werden meine Eltern nicht ruhen, bis sie mich gefunden oder den Beweis in Händen haben, dass ich umgekommen bin. Und Letzteres wird nicht passieren, weil ich ja lebe und wohlauf bin.«
»Die Polizei in Alice Springs wird Ihren Eltern erklären, dass Ihre Überreste niemals gefunden werden. Dafür würden Ameisen, hungrige Dingos und andere wilde Tiere schon sorgen …«
»Danke, ich verstehe, worauf Sie hinauswollen«, fiel Arabella ihm ins Wort. Sie schauderte bei dem Gedanken daran, was ihr hätte zustoßen können. »Ich habe herumgefragt, ob jemand mich nach Alice Springs bringen könnte, aber die Kameltreiber weigern sich.« Sie hoffte, der Constable würde vielleicht seinen Einfluss geltend machen.
Terry sah sie überrascht an. »Warum wollen Sie Ihr Leben ein zweites Mal aufs Spiel setzen? Das wäre töricht.«
»Aber meine Eltern stehen bestimmt tausend Ängste um mich aus. Würden Sie nicht auch wissen wollen, wenn jemand aus Ihrer Familie …«
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