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Im Tal der Giganten

Im Tal der Giganten

Titel: Im Tal der Giganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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um
ihn wiederzuerkennen. Es war das riesige Geschöpf, das er
am ersten Morgen gesehen hatte, noch vom Deck der
NAUTILUS aus. Es ähnelte tatsächlich ganz vage einer
Fledermaus, aber wäre es näher gekommen, hätte dieser
Vergleich nicht lange standgehalten. Von Chris wußte er,
daß es ein Flugsaurier mit dem schier unaussprechlichen
Namen Quetzalcoatlus war, ein riesiges, fast zehn Meter
messendes Tier, das aber trotzdem nur Jagd auf Beute
machte, die wesentlich kleiner als ein Mensch war. Das
Geräusch leichter Schritte drang in seine Gedanken und
ließ ihn aufsehen. Irgendwie hatte er gespürt, daß es
Serena war, noch ehe er sie erkannte. Er lächelte, rückte
ein Stück zur Seite, und sie setzte sich auf den
runden
Felsen am Flußufer, auf dem er Platz genommen hatte.
Serena sagte nichts. Eine ganze Weile saßen sie in einem
sonderbar wohltuenden, vertrauten Schweigen
nebeneinander da und blickten auf den Fluß hinaus, dessen
Wasser in der Nacht wie geschmolzenes Silber aussah.
Manchmal bewegten sich große, dunkle Umrisse darin,
aber sie erschreckten Mike jetzt nicht mehr. Eine
sonderbare Veränderung war mit ihm vorgegangen, seit
sie am Nachmittag auf die beiden Dinosauroiden getroffen
waren. Während des ersten Tages hier hatte er praktisch
ununterbrochen Angst gehabt. Jetzt aber spürte er sie
kaum noch. Es war, als begänne diese Welt, so fremdartig
und bizarr sie auch sein mochte, unmerklich ihren
Schrecken zu verlieren. Serena lehnte sich leicht gegen
seine Schulter. »Ich frage mich, was wir noch alles
entdecken werden«, sagte sie. »Das alles hier ist so... so
phantastisch. « »Das sagst ausgerechnet du?« Mike lachte
leise. »Ich glaube, deine Heimat wäre uns genauso
phantastisch vorgekommen wie diese Insel hier. «
»Vielleicht«, antwortete Serena. »Trotzdem ist es anders.
Atlantis und eure Welt, das ist irgendwie dasselbe. Aber
das hier ist... « Sie suchte nach den richtigen Worten und
fand sie nicht. »Meine Eltern haben es mir als Märchen
erzählt, weißt du? Und plötzlich bin ich mitten drin. Es ist
ein komisches Gefühl, wenn Legenden wahr werden. «
So wie die von Atlantis, dachte Mike. Laut sagte er:
»Und? Hast du immer noch Angst davor?« »Die habe ich
nie gehabt«, behauptete Serena - ohne die mindeste Spur
von Überzeugung. »Doch, die hattest du«, sagte Mike.
»Ich habe den anderen nichts davon verraten. Aber du
hattest panische Angst vor dem, was uns hier erwartet.
Verrätst du mir jetzt, warum? Ich meine, den Rest der
Geschichte, den du bisher für dich behalten hast?« Er wäre
nicht überrascht gewesen, hätte Serena weiter geleugnet,
aber sie schwieg nur einige Zeit. Dann beugte sie sich vor,
hob eine Handvoll kleiner Steinchen auf und begann sie in
den Fluß zu werfen, jeden ein kleines Stückchen weiter als
den vorhergehenden. »Es heißt, daß auf dieser Insel die
Wahrheit regiert«, sagte sie. »Jeder begegnet sich selbst. «
Mike sah sie fragend an. »Die Wahrheit? Was soll das
heißen?«
Serena zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht.
Ich erzähle nur, was die Legende sagt. Nur wenige von
denen, die sie betreten haben, haben sie jemals wieder
verlassen. «
»Aber die Könige von Atlantis schon. « »Sie mußten
es«, sagte Serena.
Mike sah auf und rückte zugleich ein kleines Stück von
Serena fort, um ihr besser ins Gesicht sehen zu können.
»Wie meinst du das?«
»Es war... Bedingung«, antwortete Serena. »Wer den
Thron von Atlantis besteigen wollte, mußte vorher
hierherkommen. Und nur, wer den Weg zurück fand, war
würdig, über Atlantis zu herrschen. « Es dauerte lange, bis
Mike begriff, was Serenas Worte bedeuteten. »Bist du
deshalb hierhergekommen?« fragte er.
Serena schwieg. Sie sah ihn nicht an, sondern fuhr fort,
Steine ins Wasser zu werfen.
»Genau so ist es, nicht wahr?« fuhr Mike nach einer
Weile fort. Er hätte zornig werden müssen, aber irgendwie
gelang es ihm nicht. »Du hast sofort gewußt, um welche
Insel es sich handelt. Gleich als du die Küste gesehen hast.
Deshalb mußtest du hierher. « Serena tat ihm plötzlich
unendlich leid. Zögernd hob er die Hand und berührte ihre
Wange.
»Atlantis existiert nicht mehr, Serena«, sagte er sanft.
»Es ist untergegangen, schon vor sehr, sehr langer Zeit. «
Serena schob seine Hand beiseite. »Für dich vielleicht«,
sagte sie. »Und für deine Freunde. Für mich nicht. Für
mich ist es... erst gestern gewesen. Ich wollte das nicht,
Mike. «
»Was?« fragte Mike.

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