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Im Tal der Mangobäume

Im Tal der Mangobäume

Titel: Im Tal der Mangobäume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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um die Gefahren eines Mangrovensumpfes.
    Banggu hoffte, sie seien versunken, hatte aber jetzt keine Zeit, sich zu vergewissern; er musste die anderen finden. Er bewegte sich weiter durch die Mangroven, bis er wieder auf trockenem Boden und im Buschwerk war, doch plötzlich gab der Grund unter ihm nach. Er rutschte ins trockene, knackende Unterholz und da stach ihn etwas ins Bein; er biss die Zähne zusammen, um einen Schmerzensschrei zu unterdrücken.
    Die Zeit verging. Sein Oberschenkel war von einem abgebrochenen Schössling, der aus dem Boden ragte, aufgespießt worden. Frisch abgebrochen. Kräftig und scharf. Banggu musste sich von diesem feststeckenden Spieß heben. Er konnte ihn nicht herausziehen.
    Die Zeit verging. Es war noch heller Tag. Fliegen summten. Er hoffte, dass die anderen Burschen den weißen Männern entkommen waren und nach ihm suchten, doch er wagte nicht zu rufen. Hier im Unterholz hatte er wenigstens ein gutes Versteck. Doch jetzt wurde ihm auf einmal bewusst, dass alles wieder still war. Kein Zeichen von Pferden oder Reitern. Oder von seinem Bruder und den zwei Freunden. Von irgendwem …
    Er lag auf dem Rücken und konnte den blutverschmierten Spieß sehen. Der hielt sein rechtes Bein in die Höhe wie einen frisch gefangenen Fisch.
    Ein Dingo kam durchs Gras und sah ihn an. Banggu fürchtete sich nicht vor dem alten Burschen; er versuchte, ihn näher zu locken, auf dass er sich an ihn klammern und so aus seiner Falle herausziehen konnte. Er hatte ein freundliches Gesicht, dieser Dingo, aber er war noch voll bei Sinnen und nicht zur Zusammenarbeit bereit. Immerhin leistete er Banggu Gesellschaft, als dieser sich gegen einen verzweifelten Ruck wappnete.
    Er versuchte, sich über den Pfahl zu wälzen, der ihn festhielt, doch das misslang, was unerträgliche Schmerzen verursachte und die Verletzung zweifellos verschlimmerte.
    Danach lag er still, wartete, dass der Schmerz nachließ, und sah betrübt zu, wie der Dingo davonschlich. Ihn verließ.
    Am Ende dachte er, dass er versuchen musste, den kurzen Schössling abzubrechen oder zumindest zu biegen, damit er sein Bein frei bekam. Dazu müsste er sich aber mit seinem ganzen Körper darüber werfen und ihn zerdrücken.
    Dies könnte aber auch nicht funktionieren und ihm höllische Qualen bereiten. Es könnte seine Lage noch schlimmer machen.
    Er warf sich plötzlich nach rechts über den aufgespießten Oberschenkel und dabei spürte er, dass die Wurzeln des jungen Baumes sich lockerten. Dies ausnutzend, schob er sich über den harten Boden, zerrte an den widerspenstigen Wurzeln, versuchte, sie aus dem Erdreich zu reißen. Nach und nach glitt der Schössling heraus. Der blutverschmierte grüne Stock gab ihn frei!
    Er ließ sich zurück auf die Erde fallen, blieb ein paar Minuten liegen, die Augen geschlossen, schaltete den Schmerz aus, um wieder zu Atem zu kommen, und als er aufsah, war der Dingo wieder da und mit ihm ein alter Schwarzer, der sich hinhockte, um seine Verletzungen zu untersuchen.
     
    Banggu war wieder in der Schlucht. Er befand sich in einer Höhle, unter dem wachsamen Blick eines Ältesten namens Guringja, der gekommen war, um den Raum zu reinigen nach dem Todesfall, der sich hier ereignet hatte. Er hatte Banggus Wunde mit Schlammpackungen behandelt und ihm nicht gestattet, sich zu bewegen und die getrockneten Umschläge zu entfernen.
    Banggu war verzweifelt. »Du verstehst nicht!«, schrie er. »Ich muss meinen Bruder suchen. Und meine Freunde. Weiße Männer waren hier …«
    »Ich weiß. Aber du musst still sein. Trink das hier …«
    Banggu schlief. In seinen Träumen sah er die drei. Er sah ein sehr großes vogelartiges Wesen, das über der Schlucht schwebte, doch es hatte keine Federn, und Banggu flog mit ihm über die bunten Berge, die sein Vater ihm gezeigt hatte.
    Er sah auch einen Würgadler, der sein nach diesem stolzen Vogel benannter Bruder war, und er weinte, als er nicht bei ihm bleiben wollte.
    Zuweilen saß Guringja mit gekreuzten Beinen bei ihm, deutete seine Träume, erzählte ihm Traumzeitgeschichten, die tiefe Ehrerbietung und Konzentration erforderten, und Banggu wehrte sich gegen die Verzögerung. Es widerstrebte ihm, gegen seinen Willen hier festgehalten zu werden, während sein Bruder in Gefahr war.
    Manchmal sprach Guringja von Banggus Vater Ladjipiri, einem gütigen Mann, dem Leid widerfuhr, und erklärte Banggu weitschweifig, wenn er seinen Vater vor weiterem Leid bewahren wolle, müsse er sich in

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