Im Tal der Mangobäume
Sattel verloren, aber das Zaumzeug hing locker herab. Langley hatte gedacht, es leicht einfangen zu können, doch das dumme Tier sprang immer wieder fort. Nachdem sie dieses Spielchen ein paar Minuten getrieben hatten, sorgte er sich mehr um den Reiter, der nicht erschienen war. Deshalb überließ er das fremde Pferd sich selbst und führte sein eigenes in den Wald.
Beim Anblick eines riesigen, in der Mitte von oben bis unten gespaltenen Baumes trat er ehrfurchtsvoll zurück. Der verkohlte Stamm schwankte hilflos unter der Last der dicken, gesplitterten Äste.
Sein Pferd war unruhig, darum band er es an einen Ast und schritt um die Verwüstung herum. Langley war selbst nervös. Er hatte ein ungutes Gefühl.
Ein paar Schritte weiter schob er einen Ast zur Seite und sah einen Mann auf der Erde liegen. Er erkannte ihn sofort: Jasin Heselwood!
»Verdammt!«, rief er, ließ sich neben Jasin auf den Boden fallen, wischte ihm Blätter und Schmutz aus dem Gesicht.
»Jasin! Geht es Ihnen gut?«, rief er, wohl wissend, dass es dem Mann keineswegs gut ging.
»Wenn Sie mir nur aufhelfen könnten«, flüsterte Heselwood höflich, als bäte er, dass man ihm beim Aufstehen aus einem Sessel behilflich sein möge. Doch Langley hütete sich, ihm hochzuhelfen.
»Ja«, sagte er. »Ja, natürlich. Alles wird gut, Jasin. Ich stehe Ihnen bei.«
Jasin nickte und flüsterte: »Anständig von Ihnen, Langley.«
Wenig später, während Langley seine Hände hielt und betete, hauchte Jasin, Lord Heselwood, sein Leben aus.
Sein junger Freund, der diesen vornehmen Herrn allein schon wegen der Waghalsigkeit bewundert hatte, mit der er seine Geschäfte betrieb, wenn er riesengroße Landgüter erwarb, schüttelte den Kopf und weinte.
Nahende Stimmen verhießen Unruhe.
Langley hielt es für zu früh, diese stille Lichtung zu beleben, doch das Schweigen des Waldes dämpfte die Neuankömmlinge, die ihre Hüte an sich drückten und das Dahinscheiden eines aus ihren Reihen betrauerten, seien sie Farmbesitzer oder einfache Viehtreiber.
»Typisch Langley«, sagte Charlie naserümpfend, als sein Bruder nicht wie erwartet von der Viehversteigerung zurückkehrte.
»Es ist ein weiter Ritt, da musste er in Brisbane übernachten. Warum regst du dich so auf?«
»Aber dann hätte er gestern Nachmittag zurück sein müssen! Ich weiß nicht, wo er abgeblieben ist.«
»Vermutlich hat er Freunde besucht. Meine Güte, Charlie, er wohnt so weit weg, er hat selten Gelegenheit, in die Stadt zu kommen.«
»Wenn er das vorhatte, hätte er es sagen sollen. Papa wartet auf ihn.«
»Ach, soll er doch warten!«, blaffte Rosa. »Langley ist ein erwachsener Mann. Er kann tun, was ihm gefällt.«
»Aber, aber«, beschwichtigte Charlie. »Du darfst dich nicht aufregen!«
Rosa suchte Zuflucht in Duncans Arbeitszimmer und blätterte müßig in ein paar alten Ausgaben von
The Ladies’ Home Journal,
die sie in einer Ecke gestapelt gefunden hatte. Sie wollte unbedingt nach Hause, doch es war nicht an ihr, diese Entscheidung zu treffen.
Dann war Langley zurück, mit einigen Tagen Verspätung und der erschütternden Nachricht von dem Unfall, bei dem Jasin Heselwood durch den Sturz von seinem Pferd während eines Gewitters ums Leben gekommen war. Er berichtete, dass er Jasin gefolgt war in der Hoffnung, ihn einzuholen, und seinen Leichnam gefunden hatte.
Alle waren bestürzt. Die drei Männer in diesem Haus schienen von nichts anderem mehr sprechen zu können, während Rosa vor Entsetzen taumelte, außerstande hinzunehmen, dass so etwas möglich sein konnte.
»Wie konnte das geschehen?«, weinte sie in dem vergeblichen Bemühen, es abzuleugnen. »Er war ein hervorragender Reiter! Das weißt du doch, nicht wahr, Charlie? Du bist auf Montone ein paarmal mit ihm geritten.«
Doch ihr Mann zuckte nur mit den Achseln. »Meine Liebe, der Friedhof ist voll mit ausgezeichneten Reitern. Bei einer Unachtsamkeit hat es sie erwischt. Und, wie Langley sagt, im Fall von Lord Heselwood war es der Blitz. So etwas kommt vor.«
Er nahm ihren Arm. »Du solltest dich jetzt hinlegen, du siehst sehr blass aus. Wir sind alle erschüttert, doch in deinem Zustand musst du dich besonders schonen. Wenn du dich besser fühlst, könntest du vielleicht einen Brief an Lady Heselwood schreiben und ihr unsere Anteilnahme aussprechen. Sie mag dich sehr, und es wird ihr ein großer Trost sein, von dir zu hören.«
Auf dem Weg zur Tür drehte Charlie sich um und rief seinem Bruder zu: »Wo findet
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