Im Tal der Mangobäume
schlechten Menschen aus?
»Lügnerin? Ehebrecherin?«, fragte eine innere Stimme.
Rosa weinte. Wie konnte sie Georgina je wieder in die Augen sehen? Und Edward? Und was war mit Charlie? Der arme Charlie, der so glücklich war. Was hatte sie ihm angetan?
»Lieber Gott!«, weinte sie, als die Kutsche in ihre Straße einbog. Sie wünschte, sie würde immer weiterfahren und nicht mehr umkehren. Nie mehr.
Juan war aus Sydney zurück. Er kam an einem Sonntagnachmittag zum Tee. Charlie begrüßte ihn mit der wunderbaren Neuigkeit, dass er Großvater werde und bestand darauf, dass sie alle drei zur Feier des Tages ein Glas Sekt tranken.
Juan war bei dem Gedanken an ein Enkelkind so aufgeregt, dass er am nächsten Morgen mit einem Geschenk für das Kind wiederkam.
Rosa brachte ein Lächeln zustande. »Darf ich es schon auspacken? Ich kann nicht monatelang warten, bis ich sehe, was es ist. Die Schachtel ist ziemlich schwer.«
Er strahlte. »Du darfst«, sagte er und Rosa löste die Umhüllung und öffnete die Schachtel.
»O Papa!«, rief sie und brach in Tränen aus. »Das war doch nicht nötig. So etwas Schönes habe ich nicht verdient!«
Er sah auf das mit Edelsteinen verzierte Kreuz, das einst seiner Großmutter gehört hatte, und nahm seine Tochter in die Arme.
»Ich schenke es dem Kind, nicht dir«, schalt er milde, »und es ist ein vorzeitiges Geschenk, weil ich einen Vorwand gebraucht habe, um wiederzukommen. Was ist los mit dir?«
Rosa griff nach ihrem Taschentuch und wandte sich ab, um sich zu schneuzen. »Verzeihung«, schniefte sie. »Ich weiß, dass es für das Kind ist, Papa, aber es ist so schön. Kannst du dich wirklich davon trennen?«
»Es bleibt ja in der Familie, Rosa. Meine Großmutter wird vom Himmel herablächeln, also mach dir deswegen keine Gedanken. Und jetzt setz dich mit mir aufs Sofa und erzähl mir, warum du so elend aussiehst. Du hast dunkle Schatten unter den Augen.«
»Ich fühle mich nicht elend. Frauen in anderen Umständen, besonders dunkelhaarige wie ich, haben oft Schatten unter den Augen.«
Er schüttelte den Kopf. »Du hast gestern niedergeschlagen ausgesehen, sogar trotz des Sekts. Und heute siehst du nicht viel besser aus. Kränkelst du?«
»Nein. Du hast gehört, was Charlie gesagt hat. Ich bin gesund wie ein Fisch im Wasser. Kein Grund zur Sorge.«
»Dein Vater sieht aber eine Frau, die über irgendetwas bekümmert ist. Ist es so schlimm, dass du es ihm nicht erzählen kannst? Nur heraus damit, ich habe breite Schultern.«
Rosa schüttelte den Kopf. »Bitte, Papa, mir fehlt nichts. Wie geht es Lark?«
»Ah! Dieses Weib! Ich bin auf einem schäbigen Schiff zurückgekommen, das hin und her geworfen wurde wie ein Kreisel, kaum dass wir aus dem Hafen von Sydney ausgelaufen waren. Ich konnte das widerwärtige Essen nicht anrühren, das man uns aufgetischt hat, und ich habe mich so auf mein gemütliches Heim gefreut. Aber was war meine Begrüßung? Eine verrückt gewordene Frau! Sie war betrunken. Hat geschrien. Gegenstände nach mir geworfen. Sie hat den glasierten Krug in der Diele zerschmettert!«
»Den hast du doch sowieso für eine Fälschung gehalten.«
»Darum geht es nicht, sondern dass ich mich furchtbar aufgeregt habe. Ich habe sie in ihr Zimmer geschickt, aber ihre Tiraden sind weitergegangen.« Er seufzte. »Doch sprechen wir nicht mehr davon. Sie ist fort.«
»O Gott!«
»Heselwoods Begräbnis«, sagte er, »war an einem schönen sonnigen Tag gut besucht. Die richtigen Leute am richtigen Ort, wie es so schön heißt, sogar ein paar Herzöge waren zugegen. Doch bedauerlicherweise war Edward nicht da. Lady Heselwood war verzweifelt, sie hat bis zum letzten Moment gehofft, dass er noch kommt. Aber leider, nein. Ist dir zu heiß hier drinnen? Du bist ganz rot im Gesicht. Ich mache ein Fenster auf.«
Er öffnete beide Fenster, so dass der staubgeschwängerte Wind die Vorhänge bewegen konnte, und fuhr mit seiner Geschichte fort.
»Ich glaube, er ist losgezogen, um das Landesinnere zu erkunden, und Paul hilft, ihn ausfindig zu machen.«
»Welcher Paul?«
»Dein Stiefbruder, meine Liebe. Paul MacNamara. Möglicherweise hat Edward Heselwood noch keine Ahnung, dass sein Vater tot ist.«
»Wie furchtbar!«
Juan erzählte noch ein wenig von Sydney und dem neuen Hotel, in dem er exzellent untergebracht gewesen war.
»Möchtest du zum Mittagessen bleiben?«, fragte Rosa.
»Danke, nein, ich kann nicht. Ich bin im Club mit einem Geschäftsfreund verabredet
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