Im Tal der Mangobäume
überrascht.
»Dann weißt du von Dell?«, sagte er betrübt. »Mit wem hast du gesprochen? Milly Forrest?«
»O nein, nicht direkt. Ich habe mich mit ihr nur über die Leute unterhalten, die mit ihr und ihrem Mann auf demselben Schiff waren, etwa Pace MacNamara und die Heselwoods. Was für ein Zusammentreffen!«
»Und sie hat dir erzählt, dass Dell meine Geliebte war?«
»O nein, Papa! Bitte. Das darfst du nicht von Milly denken. Sie hat nichts dergleichen gesagt. Es war Lark. Sie war ausgesprochen gehässig. Es tut mir aufrichtig leid, wenn ich dich in Verlegenheit gebracht habe. Lass es uns einfach vergessen, ja?«
»Hm«, meinte er bedächtig, »ich denke nicht, dass wir es einfach vergessen sollen, nachdem du mich gefragt hast. Ich habe Dell in Sydney kennengelernt. Eine wunderschöne Frau, verwitwet, und wir hatten eine Affäre. Als ich dann die Chelmsford-Station kaufte, habe ich sie überredet, mit mir zu kommen. Dell war meine Geliebte, so könnte man es vermutlich sagen, aber sie sah es nicht so. Sie war eine echte Dame, und es war ihr peinlich, mit mir zusammenzuleben.«
»In Sünde zu leben?«
»Ja. Es hat sie bekümmert, aber ich habe sie geliebt. Ich wollte nicht, dass sie mich verließ. Ich wollte sie heiraten, doch sie gebrauchte ständig Ausflüchte, etwa, dass sie älter war als ich und so weiter …«
Das erinnerte Rosa an Lucy Maes Ausflüchte, um Duke nicht zu heiraten.
»Hat sie dich nicht geliebt?«
»O doch, sonst wäre sie nicht mit mir aus Sydney fortgegangen.«
»Zwei Menschen, die sich liebten, und ihr konntet keine Lösung finden?«
»Doch, auf unsere Art schon. Sie gab gern vor, dass wir verheiratet waren, und ließ es dabei bewenden. Zumal, als sie ein Kind erwartete. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, in anderen Umständen vor den Traualtar zu treten.« Er seufzte. »So, das war alles über Dell.«
»Nein, noch nicht, Papa«, sagte Rosa leise. »Was ist aus ihr geworden?«
Er trat an einen Schrank, zog eine Schublade auf und entnahm ihr eine cremefarbene Pergamentmappe.
»Das ist jetzt sehr schwer für mich, Rosa. Ich hoffe, du hast Nachsicht mit mir.«
Die Mappe enthielt eine sorgsam in Seidenpapier eingeschlagene Fotografie, die er Rosa reichte. Sie entfernte das Papier. »Ist das Dell?«
Juan nickte.
»Oh, sie ist schön!« Sie bewunderte die feinen Züge der liebreizenden Frau. »So elegant! Und was für ein hübsches Kleid sie anhat!«
Er ließ sich auf das Ledersofa neben dem Schrank fallen. »Ich war sehr jung. Erst zweiundzwanzig. Ich habe mir Vorwürfe gemacht, als sie starb. Bei der Geburt. – Merkwürdig«, fuhr er abwesend, fast unhörbar fort, »Pace MacNamara war zu der Zeit da. Er war gekommen, um sie zu besuchen.« Er seufzte. »Ich konnte es nicht glauben, dass sie tot war. Es hat mich tief getroffen. Ich war Pace bis dahin nie begegnet, aber er nahm die Sache in die Hand. Er hat alles erledigt. Verstehst du, Rosa, Dell war deine Mutter …«
»Was? Das kann nicht sein! Delia war meine Mutter!«
»Nein. Delia kam mich geraume Zeit später mit ihrem Onkel Lord Forster besuchen. Es war fast so etwas wie eine arrangierte Heirat. Ich brauchte eine Frau und eine Mutter für mein Kind, und Forster wollte Delia gut verheiratet sehen, sozusagen. Eine Geldheirat, das war damals wohl damit gemeint.«
Rosa hörte kaum noch zu. Sie starrte fortwährend auf die Fotografie. Suchte nach sich selbst.
»Warum hast du mich all die Jahre getäuscht?«, fragte sie bitter.
»Delia bestand darauf, dass du als ihr Kind angesehen wurdest. Später erkannte ich, dass du ihr sehr gelegen kamst, weil sie nie eigene Kinder wollte.«
»Aber als sie starb? Da hättest du es mir sagen können. Wir haben ihr Grab besucht. Warum nicht dann?«
Er breitete die Hände aus. »Warum dann? Wir haben einer Frau die letzte Ehre erwiesen, die dich immer als ihre Tochter behandelt hat. Sie war recht oberflächlich, aber sie war auf ihre Art gut zu dir, und sie hat niemals verlauten lassen, dass du nicht ihr Kind warst. Kannst du das verstehen?«
»Mehr oder weniger. Aber wann gedachtest du mir das alles zu erzählen?«
»Ich dachte, da du nun selbst ein Kind erwartest, sei dies ein geeigneter Zeitpunkt, doch ich hatte Angst vor der möglichen Reaktion deines Mannes.«
Rosa schwirrte der Kopf. Charlie war berechenbar. Er würde kein Verständnis haben. Er würde finden, man hätte ihn viel früher aufklären sollen. Während sie hierüber nachdachte, wurde ihr erst richtig
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