Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga
der einst für Rolfe gearbeitet hatte und der inoffizielle Verwalter des Weinguts war, sie entdeckt und zu Tode erschreckt. Danach hatte Luke kein Interesse mehr an Krugerhoff gehabt. Erst als er ein Teenager war, hatte Greta ihm versichert, dass Rolfe nicht tot war, sondern in Neuseeland lebte. Somit hatte sie die Mordtheorie ein für alle Mal aus der Welt geschafft. Seine Mutter hatte nur gelacht, als er ihr gestand, was er und die anderen Jungen damals angestellt hatten.
Jetzt war Rolfe Stenmark-Kruger tot. Das hatten sie von einem Immobilienmakler in Marlborough auf der Südinsel von Neuseeland erfahren. Luke hatte dem Mann einen Vorschuss gezahlt, damit er ihn über irgendwelche ›Tätigkeiten‹ im Zusammenhang mit der Valley-View-Weinkellerei informieren sollte. Mit Rolfes Tod war das letzte Kapitel der Liebesgeschichte, die der Familie so viel Kummer beschert hatte, geschrieben. Luke warf Carl, der durch irgendetwas abgelenkt war, was Lisel ihm gerade sagte, einen verstohlenen Blick zu. Vielleicht konnte Großvater jetzt die Vergangenheit ruhen lassen und gefühlsmäßig wieder mit sich im Reinen sein, aber wahrscheinlich nicht, bevor Krugerhoff den riesigen Ländereien von Stenmark einverleibt war.
»Genug jetzt von expandierenden Märkten und Liefermöglichkeiten«, sagte Carl grantig, nachdem er Lisel fünf Minuten lang zugehört hatte, die ihm einige Lieferstrategien erklärte. Er wandte sich Josh Aldrich zu. »Ich habe
gehört, dass auf dem neuen Weingut nördlich des Valleys die Traubenfäule herrscht. Weißt du etwas darüber?«
»Das stimmt, Mr. Stenmark«, sagte Josh respektvoll. »Im Frühjahr werden sie dort ein großes Problem haben, wenn sie das nicht unter Kontrolle kriegen.«
»Und was ist mit unseren Rebstöcken?«, fragte Carl stirnrunzelnd.
»Die sind völlig in Ordnung, jeder einzelne.« Josh atmete erleichtert auf, als Carl nickend zu verstehen gab, dass ihn diese Information zufrieden stellte.
»Das ist eine schlimme Krankheit, diese Traubenfäule«, sagte Carl und schüttelte den Kopf. »Und John, was hat es damit auf sich, dass de Bortoli bis nach Victoria expandieren will?«
»Die Information ist richtig«, bestätigte John Michaels. »Und sie sind nicht die Einzigen, die das tun.«
»Barossa ist immer noch der beste Ort für den Weinanbau«, verteidigte Carl das Valley entschlossen. Seiner Meinung nach war es das beste Gebiet auf der ganzen Welt.
»Ja, Großvater«, stimmte Luke zu, »aber die anderen Weingüter stellen sich um, weil die Australier die vielen verschiedenen Weinsorten, die es jetzt gibt, außerordentlich lieben. Mehr als noch vor zwanzig oder dreißig Jahren.«
Carl schmunzelte. »Da hast du recht. Als ich Rhein-Schloss übernommen habe, tranken die meisten Australier, Männer und Frauen, Bier oder Limonade. Es gab so etwas wie ein nationales Misstrauen Wein gegenüber, der ihnen fremd war und den nur Einwanderer tranken. Heutzutage wandern noch immer viele Menschen aus allen möglichen Ländern ein und haben offensichtlich auch die Ureinwohner vom Wert und vom Geschmack des guten Weines überzeugt. Das Weingeschäft boomt.«
»Das kann man wohl sagen«, bekräftigte Lisel und hob ihr Glas.
»Und du leistest gute Arbeit im Hinblick auf die Verkaufsförderung, Lisel«, gab Carl leicht widerwillig zu.
Da Carl Stenmark kaum Komplimente über etwas machte, das mit Rhein-Schloss zu tun hatte, liefen Lisels Wangen rot an. »Danke, Papa.«
»Hört, hört«, sagte Luke. Er wusste, dass Lisel nach dem Scheitern ihrer beiden Ehen lange gebraucht hatte, um eine Nische auf Rhein-Schloss zu finden. Einer der Gründe, warum ihr die Vermarktung der Produkte so gefiel, war der, dass sie regelmäßig ins Ausland reisen konnte. Das kam allen äußerst gelegen. Denn wenn Lisel schlechte Laune hatte oder deprimiert war, was nicht selten der Fall war, hatte sie eine böse Zunge, und es war schwer, mit ihr auszukommen, besonders wenn man sie mit Lukes Mutter, also ihrer Schwester, verglich, die eine sanfte, fürsorgliche Frau war.
Lisel war wie ein Chamäleon und außerdem ziemlich raffiniert. Viele Menschen, wie die Angestellten im Betrieb oder das Personal zu Hause, konnten von ihrer Launenhaftigkeit ein Lied singen. Aber ihrer Familie gegenüber, seinem Vater und Großvater, gab sie sich völlig anders. Für die war sie beinahe perfekt - tüchtig und temperamentvoll. Persönlich war Luke nie Opfer ihrer Launen gewesen, doch seine Mutter kannte Lisel am besten, und sie
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