Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga
großartige Leistung.«
Seine Komplimente bewirkten bei Carla, dass sie Josh mit etwas mehr Interesse betrachtete. In seinem Abendanzug, mit seinem ordentlich frisierten Haar und seinem glatt rasierten Gesicht sah er ganz anders aus, als sie ihn in Erinnerung hatte. Damals war er ein ekliger, gereizter Kerl gewesen und hatte sie, als sie erst zwei Tage im Barossa Valley war, blöd angeredet.
»Ich kann kaum glauben, dass Ihre Arbeitgeber gesagt haben, Sie sollen mir das ausrichten«, sagte Carla spitz.
»Das haben sie auch nicht. Es ist meine persönliche Meinung.« Er lehnte sich zu ihr vor und senkte vertraulich
die Stimme. »Die Stenmarks besitzen weder meinen Körper noch meine Seele, wissen Sie. Zwar arbeite ich für sie, aber in meiner Freizeit tue ich, was ich will.« Er wirkte glaubwürdig, und als er merkte, dass Carlas Augen weit wurden, war er davon überzeugt, dass sie ihm die Lüge abgekauft hatte. Nun, eigentlich war es keine richtige Lüge, sondern eher eine Übertreibung, weil er langfristig gesehen wusste, wo sein Vorteil lag. Aber dennoch, wenn er mit der Besitzerin von Sundown Crossing eine traute Beziehung aufbauen konnte, konnte das keinesfalls schaden. Durch ihn würden die Stenmarks über ihre Unternehmungen informiert - und selbst wenn der alte Carl vor Wut schäumte, weil seine Enkelin die Dinge nur allzu erfolgreich in die Hand genommen hatte, konnte Josh keinesfalls verlieren.
»Können wir also das Kriegsbeil begraben und von vorne anfangen?«, fragte Josh. Er streckte zögernd die Hand aus, aber als er ihre Unschlüssigkeit bemerkte, zog er sie sofort wieder zurück. »Ist schon okay. Ich verstehe. Warum sollten Sie mir vertrauen, wenn ich für die Stenmarks arbeite?«
»Wenigstens sind Sie Manns genug, um mit uns zu reden. Das ist mehr, als die meisten heute Abend getan haben«, bemerkte Angie.
Carla, die normalerweise nicht argwöhnisch war, zwang sich nun dazu, ihre anfängliche Meinung über Josh zu ändern, da er plötzlich derart offen und nett war. Hatte sie sich etwa in ihm getäuscht? Vielleicht konnte es ja nicht schaden, wenn sie ihm etwas entgegenkam, nachdem er angeblich sein eigener Herr war. Sie streckte die Hand aus, und seine große, gepolsterte Hand griff umgehend nach ihrer.
»Gut. Sind wir also Freunde?«
»Könnte sein.«
»Sie werden es nicht bereuen, Carla«, versprach er.
Männer mit weniger Selbstvertrauen wären vermutlich vor Carlas eindringlichem Blick in den Boden versunken. »Ich hoffe, Sie werden mir keinen Grund dazu geben.«
Josh nickte zustimmend. Froh über den soeben errungenen Sieg und genau darauf achtend, sie nicht zu sehr zu bedrängen, wusste er, dass es jetzt Zeit war, sich zu verabschieden. »Ich habe eine Menge zu erledigen, meine Damen. Gute Nacht.« Lächelnd wandte er sich ab und ging trotz seiner Körperfülle erstaunlich leichtfüßig davon. Er hatte sein Ziel erreicht, und wenn sie sich nächstes Mal trafen, würde er Carla einladen, mit ihm auszugehen. Er war zuversichtlich, dass sie seine Einladung annehmen würde.
Eine Woche später, als Paul nicht da war, betrat Josh van Leesons Büro und lud Carla zum Abendessen ein. Zunächst zierte sie sich, aber schließlich einigten sie sich auf einen Termin. Sie hatten ein nettes Abendessen in einem Restaurant in einem Vorort, und Josh legte sein bestes Benehmen an den Tag. Er verstand genug von Frauen, um zu wissen, dass Carla Hunter nicht die Art von Frau war, die sofort mit einem Mann ins Bett steigen würde. Sie hatte einen zu starken Willen und war immer noch nicht über den Tod ihres Mannes hinweg. Er dachte über sein Vorhaben nach. Am Anfang würde er ab und zu mit ihr ausgehen und auch ihren Sohn mit einschließen. Das würde ihr bestimmt gefallen. Er konnte eine Menge Geduld aufbringen, wenn es sich um jemanden handelte, für den es sich lohnte, geduldig zu sein.
10
D er Frühling stand kurz bevor. Der Himmel war klar und blau, und eine warme Brise wehte, als an einem Samstagmorgen Ende August Carla und Sam auf dem Weg zum Fluss an den langen Reihen der Weinstöcke entlanggingen. Nach den kräftigen Winterregen war die Strömung sehr stark, und Carla bestand darauf, dass Sam nicht ohne die Begleitung eines Erwachsenen zum Fluss ging.
Obwohl sie nicht vom Fach war, fand sie, dass die Rebstöcke gesund aussahen. Die Reben hatten zu wachsen begonnen - die zarten, hellgrünen Blätter hatten sich zwar noch nicht entfaltet, aber die Ranken griffen bereits um sich auf der
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