Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga
Flusskrebs gesehen.«
Während sie langsam weiter in seine Richtung ging, gab sie sich wieder ihren Gedanken hin. Es war schade, dass … was eigentlich? Paul hatte seine eigenen Probleme. Er war noch nicht über den Tod seiner Verlobten hinweg. Lisa McNee, die für das Internationale Rote Kreuz gearbeitet hatte, war vor einem Jahr bei einem Rebellenaufstand in Botswana ums Leben gekommen. Paul war bemerkenswert gelassen gewesen, als er Carla davon erzählt hatte. Er sagte, dass es leichter für ihn wäre, die Tage und Nächte durchzustehen, wenn er über seinen Schmerz reden würde. Carla wusste, was Schmerz bedeutete! Sie hatte ihn zweimal erfahren, zuerst bei Derek, dann bei ihrem Vater.
»Komm jetzt, Mum«, drängte Sam. »Dort drüben in der Nähe der Biegung ist ein ruhiger Tümpel.« Er senkte die Stimme und flüsterte: »Vielleicht gibt es dort Schnabeltiere.« Er hielt sich an den Ästen fest, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, und kletterte über mehrere Felsen, bis er zu einer Stelle kam, wo der Fluss etwa drei Meter breit war. Auf der anderen Seite stürzte das Wasser über die Felsen, aber auf ihrer Seite verlief der Fluss gemächlicher.
»Sam, sei vorsichtig. Warte auf mich.« Carla schaute auf den Fluss, während sie denselben Pfad nahm wie Sam. Das Wasser war dunkel, fast schwarz, und obwohl hohe Bäume dem Fluss Schatten spendeten, vermutete sie, dass das Wasser im Tümpel über zwei Meter tief war. Sie beschleunigte ihren Schritt, um Sam einzuholen. Dabei wäre sie auf dem feuchten Moos fast ausgerutscht, konnte sich jedoch in letzter Minute an einem Ast festhalten. Dann fiel ihr Blick auf Sam. In seiner Hast, das Schnabeltier zu finden, war er alles andere als vorsichtig und wartete nicht auf sie. Seine fünf Jahre jungen Beine hüpften eilig über die schleimigen, von Flechten bedeckten Felsen.
Dann sah Carla, wie Sam das Gleichgewicht verlor. Er griff ins Leere, während er versuchte, sich am Gestrüpp festzuhalten, aber seine Arme waren zu kurz. Er kippte zur Seite und rutschte den nassen Felsen hinunter. Dann fiel er ins Wasser und wurde in die Tiefe gerissen.
Carla war vor Schrecken erst wie gelähmt, dann wurde sie von Panik ergriffen. Sie rannte über die glitschigen Felsen. Dabei strauchelte sie ein paarmal und zog sich beim Festhalten einige Schürfwunden zu, aber sie achtete nicht darauf. Mit Ausnahme des gurgelnden Wassers, das nach unten stürzte, war es ruhig am Fluss. Doch als Sam nicht mehr auftauchte, zerriss ihr verzweifelter Schrei die Stille.
11
C arla war ungefähr vier Meter von der Stelle entfernt, wo Sam ins Wasser gefallen war. Sie spürte, wie die Panik sie lähmte. Sam konnte noch nicht gut schwimmen, und seine Kleidung würde ihn unter Wasser ziehen. Plötzlich tauchte sein Kopf auf, Sam spuckte Wasser, fuchtelte wild mit den Armen und ging wieder unter. Carla sprang ins eiskalte Wasser. Sie tauchte hinab und trat Wasser - es war fast zwei Meter tief. Verzweifelt suchte sie nach ihm. Nichts. Sie schoss an die Oberfläche, holte Luft und tauchte erneut unter. Einige Blasen und kleine Wellen, die auf das Flussufer zuliefen, waren die einzigen Anhaltspunkte, auf die sie zuschwomm.
Aufgewühlt von ihren Bewegungen, war das Wasser trübe, und sie konnte nicht viel sehen. Angestrengt ruderte sie mit den Armen. Warum konnte sie ihn nicht finden?
O Sam, Sam...! Dann stießen ihre ausgestreckten Finger an etwas Weiches - seine Nylonweste. Sie zog mit ganzer Kraft daran, aber Sam bewegte sich nicht. Etwas hielt ihn unter Wasser. Mit einer Hand packte sie die Weste und zerrte diesmal noch fester daran. Es gelang ihr, ihn vom Grund des Flusses loszureißen, doch sein Bein blieb unter einem Ast stecken.
Ihre Lungen waren kurz davor zu platzen, als sie Sam mit letzter Kraft hochriss und mit ihm auftauchte. Gierig schnappte sie nach Luft und atmete röchelnd ein. Dann schüttelte sie ihren Sohn. »Sam, bist du in Ordnung?« Sie war erleichtert, als er hustete, einen Schwall Wasser ausspuckte und dann die Augen öffnete. Japsend und ebenfalls röchelnd, versuchte er, seine Lungen mit lebensrettender Luft zu füllen. Wasser tretend hielt sie ihn eng an sich gedrückt und strich ihm das Haar aus dem Gesicht.
»Gott sei Dank, du lebst.«
»Noch ein wenig früh für ein Bad, nicht wahr?«, fragte eine lakonische Stimme, die vom Ufer des Flusses kam.
Carla drehte den Kopf und sah, wie Paul van Leeson ins Wasser stieg, um ihr zu helfen. Sie drehte Sam auf den Rücken und
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