Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga
deutete in Richtung des Tisches. »Das ist Carla und«, sie sah den Jungen, der neben dem Objekt ihres Zornes saß, »ihr verdammter Sohn. Sie essen zusammen mit Paul van Leeson und den Hilfskräften, so wie die Übrigen da aussehen.«
»Sei nicht so snobistisch, außerdem kann man wirklich nicht sagen, dass Paul eine Hilfskraft ist«, schalt Greta. Sie stellte sich neben Lisel und spähte zu dem Tisch hinüber, auf den Lisel gezeigt hatte. Sie sog scharf die Luft ein, bevor sie leise sagte: »Meine Güte... Du hast recht.«
»Ja«, zischte Lisel verärgert. »Sie sieht wirklich aus wie Mutter. Na und? Wir brauchen keinen Vaterschaftstest, der uns verrät, dass sie mit uns verwandt ist, oder?« Lisels Ton war sarkastisch.
»Die Ähnlichkeit ist verblüffend und… sie ist sehr hübsch.« Gretas Ton verriet, dass sie beeindruckt war. »Ich hatte nicht erwartet, dass sie so … Niemand, weder du noch Luke, hat gesagt, dass sie... so attraktiv ist. Und der Junge sieht genauso aus wie«, ihre Stimme wurde weicher, gefühlvoller, während ihr Blick Lisels dunklen, unergründlichen Augen begegnete, »Kurt.«
»Ich weiß.« Lisels Augen, die in der gedämpften Restaurantbeleuchtung fast schwarz waren, blitzten ihre Schwester an. »Wir sagen Papa nichts davon«, sagte sie entschlossen. »Er wird sofort gehen, wenn er erfährt, dass Rolfes Tochter sich hier im Restaurant amüsiert. Wir wissen doch, wie er über sie denkt.«
»Aber...« Greta zog die Stirn in Falten. Sie hielt nichts davon, dass man ihrem Vater das verschwieg.
»Papa wird wütend, Greta, das weißt du ganz genau.« Lisel machte einen Schmollmund und sagte ungeduldig: »Es wird ihn an alte Zeiten erinnern, an Kurt und Marta, an das, was Rolfe getan hat.«
Gretas Blick pendelte zwischen Carla und Sam und ihrer Familie hin und her. Ihr Gesichtsausdruck gab zu verstehen, dass sie mit Lisel nicht übereinstimmte, aber mit einem tiefen Seufzer ließ sie sich überreden. »In Ordnung.«
Wenn Lisel nicht das auffällige rosa Kleid getragen hätte, hätte Carla sie wahrscheinlich gar nicht bemerkt, aber als sie aufsah, erkannte sie sie sofort. Dann fiel ihr Blick auf die Frau, die hinter Lisel herging. Sie war kleiner und hatte einen anderen Teint, aber die Ähnlichkeit war groß genug, um zu vermuten, dass sie Lisels ältere Schwester Greta war. Dennoch, es war besser, ganz sicher zu sein. Carla berührte Pauls Ärmel, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. »Dort drüben in der Nähe der Tür steht Lisel Stenmark. Die andere Frau, ist das ihre Schwester?«
Paul nickte. Sie hatte also richtig geraten. Wie interessant. Carla griff nach ihrem Glas und nahm einen großen Schluck Wein. Sie versuchte, ihre Wut, das Gefühl, dass sie ungerecht behandelt wurde, herunterzuschlucken. Sie waren ihre Blutsverwandten. Doch sie würden sie weder anerkennen noch mit ihr reden. Konzentriert kniff sie die
Augen zusammen und folgte den Frauen an ihren Tisch. Dort saßen Luke und sein Vater - sie kannte John Michaels vom Sehen, obwohl sie nie mit ihm gesprochen hatte - sowie ein Mann mit weißen Haaren. Ein großer Mann mit breiten Schultern, der wahrscheinlich aussah, wie ihr Vater ausgesehen hätte, wenn er über achtzig geworden wäre. Es war ihr Großvater. Carl Stenmark. Der Schock, ihn zum ersten Mal zu sehen, führte dazu, dass Carla den Stiel ihres Weinglases so eng umklammerte, dass es beinahe zerbrochen wäre. Als sie sich etwas beruhigt hatte, trank sie das Glas in einem Zug aus und hielt es Paul entgegen.
»Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so trinkfest sind«, sagte Paul, während er ihr Glas auffüllte.
»Ich trinke normalerweise auch nicht viel, aber die da drüben geben mir allen Grund dazu.«
Angie sah zu, wie Paul die Weingläser auffüllte. Sie folgte Carlas Blick und entdeckte nun auch die Stenmarks. O nein! In ihrem Kopf schrillten die Alarmglocken, während sie sich die Situation vergegenwärtigte. Carla war schon bei ihrem dritten Glas Wein. Normalerweise trank sie höchstens mal ein Glas, wenn sie in Gesellschaft war. Dies und die Tatsache, dass sie die Feindseligkeit der Stenmarks ertragen musste, steuerten unausweichlich auf eine Katastrophe zu. Noch ehe sie die Kampfeslust, die in Carlas Augen blitzte, registrierte, ahnte Angie, dass es Ärger geben würde. Carla hatte nicht umsonst rotes Haar und das Temperament ihrer Mutter geerbt, und sie hatte mehr als einmal über die Ungerechtigkeit und Dummheit der Stenmarks ihr und Sam gegenüber
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