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Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga

Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga

Titel: Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynne Wilding
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gewettert.
    Carla leckte den Wein von ihren Lippen und stand auf. »Ich glaube, ich gehe mal eben zu meinen Verwandten rüber.«
    »Das ist keine gute Idee.« Angie schüttelte warnend den
Kopf. Sie hatte Carla kennengelernt, als diese zwölf gewesen war, und kannte ihre Launen und ihr leidenschaftliches Temperament nur zu gut. Die Anzeichen von Carlas jetzt aufsteigender Wut waren nicht zu übersehen. Dann strich sie sich nämlich das Haar aus der Stirn, straffte die Schultern, ballte die Hände zu Fäusten und kniff konzentriert die Augen zusammen. O ja. Rolfes Tochter rüstete sich zum Angriff. Und Gott bewahre die Stenmarks davor, wenn sie ihrer Wut freien Lauf ließ.
    »Der Kellner wird gleich Sams Kuchen bringen«, versuchte Paul, der intuitiv auf Carlas Stimmung reagierte, sie abzulenken. »Sehen Sie mal, da kommt er.«
    Die Leute, die an den anderen Tischen saßen, lächelten zu ihnen herüber. Auch die Loongs freuten sich und stießen Laute der Bewunderung aus, während der Kellner den Kuchen mit den sechs brennenden Kerzen an ihren Tisch brachte.
    Durch Sams Kuchen momentan von ihrem Plan abgebracht, widmete sich Carla wieder ihrem Sohn, und alle sangen »Happy Birthday«. Der aufgeregte Sam hatte ein kleines Problem damit, die Kerzen auf einmal auszublasen - er gestattete Su Lee, ihm dabei zu helfen. Danach wurde der Kuchen angeschnitten, und jeder am Tisch erhielt ein Stück.
    Angie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Carla schien die Stenmarks verdrängt zu haben. Aber ihre Heiterkeit war nur von kurzer Dauer. Als die Stenmarks sich von ihrem Tisch erhoben und gehen wollten, erkannte Angie, dass Carla nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet hatte. Ehe Angie noch irgendetwas sagen konnte, sprang Carla auf. Sie schlängelte sich zwischen den Tischen hindurch und ging schnurstracks auf ihre Verwandten zu. Angie und Paul blickten einander besorgt an.

    »Das wird nicht gut enden«, prophezeite Angie, machtlos, den Lauf der Dinge zu ändern. Monatelang hatten sie hart gearbeitet und die Haltung der Valley-Bewohner ertragen. Doch all die Beleidigungen und der Ärger hatten sich bei Carla angestaut, und ob es Angie gefiel oder nicht, die Stenmarks würden jetzt dafür büßen müssen.
    »Wenn Sie möchten, mische ich mich ein«, erbot sich Paul, »aber ich muss sagen, ich habe Verständnis dafür, bei dem, was Sie beide durchgemacht haben.« Angie nickte dankbar, und Paul stand auf und folgte Carla. Zurückhalten konnte er sie jedoch nicht mehr.
    Lisel sah als Erste, wie Carla auf sie zusteuerte. Dramatisch hob sie die Hände und rief, als hätte sie Carla gerade erst gesehen: »Meine Güte, schaut mal, wer hier ist! Ich werde mal eben mit dem Oberkellner reden. Der gute Ruf des Restaurants wird darunter leiden, wenn er jeden hier reinlässt.«
    »Und auch dir einen guten Abend, Tante Lisel.« Sie würde sich durch Lisels Sarkasmus nicht aus dem Konzept bringen lassen, schwor Carla sich. Die ungewohnten Weinmengen, die sie getrunken hatte, schwemmten ihre Vorsicht weg. Sie wandte sich an Luke. »Du bist auch hier, Luke. Wie schön. Und wie ich sehe, sind sämtliche Stenmarks heute Abend hier vertreten.«
    »Hallo, Carla«, antwortete Luke leise. Er musterte sie eindringlich, und sein Ausdruck verriet, dass er besorgt darüber war, was sie tun oder sagen könnte.
    Lisel stellte sich direkt vor Carla, als müsse sie ihren Vater schützen, der sich umgedreht hatte, um John Michaels zum Ausgang zu folgen. Sie schaute ihre Nichte hasserfüllt von oben bis unten an und blickte abschätzig auf ihre Kleidung. »Vielleicht siehst du wie eine Stenmark aus, und einige
Leute haben dir das sicher auch schon gesagt, aber du bist keine Stenmark«, keifte sie.
    »Vom rechtlichen Standpunkt aus gesehen hast du unrecht«, gab Carla zurück. »Du, ich und alle Leute im Valley wissen, dass das gleiche Blut in unseren Adern fließt und dass das, was meinem Vater vor so vielen Jahren passiert ist, nichts mit mir oder meinem Sohn zu tun hat.« Sie wandte sich ihrer anderen Tante zu. »Mein Vater hat ein Tagebuch geschrieben, in dem er sich lobend über dich geäußert hat, Tante Greta. Er sagte, du wärst sehr fair und vernünftig. Wenn das stimmt, wirst du sicherlich erkennen, wie überholt und dumm dieser«, sie suchte nach einem passenden Wort, »Streit ist.«
    Als sie Lisels gehässigen Blick sah, biss Carla die Zähne zusammen und streckte Greta die Hand hin. »Tante Greta, ich bin Carla.« Sie lächelte, als die

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