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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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entsprach Judes Fantasiedenken.
    »Wo ist das Baby?«
    Während Jude die Treppe herabkam, stopfte er sich das weiße T-Shirt in die Jeans. »Sie ist davongeflogen«, sagte er. Ich sah ihn kopfschüttelnd an, damit er nichts weiter sagte, doch er schien es nicht zu bemerken.
    »Wohin ist sie geflogen?«

    »An einen schönen Ort«, sagte er.
    »Ist sie im Zoo? Mommy, können wir auch in den Zoo gehen?«
    »Natürlich. Wir gehen in den Calgary-Zoo, sobald wir zu Hause sind.«
    »Wird dein Baby dort sein?«
    »Das dort bin ich ebenfalls.« Ich zeigte auf die Bilderserie an der Wand. »Und das. Und das.« Dann drehte ich mich zu Jude um. »Du hast sie behalten.«
    »Ja.«
    »Hatte Lillian nichts dagegen?«
    »Ich hatte sie bis zu ihrem Umzug in der Werkstatt aufbewahrt. Lillian hat fast alle Bilder mitgenommen, die hier hingen.« Grinsend kratzte er sich hinterm Ohr. »Ich brauchte etwas für die nackten Wände.«
    »Hast du Spielsachen?«, fragte Jeremy.
    »Stell die Frage höflich«, ermahnte ich ihn.
    »Bitte?«
    Jude hockte sich vor ihn hin. »Magst du Lego? In Andys Zimmer steht eine ganze Kiste.«
    »Ja!«
    »Genau hinter der Tür dort.«
    Jeremy warf mir einen fragenden Blick zu. »Na los«, ermunterte ich ihn. Zusammen sahen Jude und ich ihm hinterher, wie er den Gang hinablief, in Andys Zimmer. Dann standen wir einen Moment schweigend da, suchten beide krampfhaft nach einem Gesprächsthema. Nebenan kippte Jeremy das Lego-Spielzeug auf den Boden.
    »Das Feuer ist’ne schreckliche Sache«, sagte Jude schließlich. »Ich bin die ganze Zeit damit beschäftigt, Kisten ins Auto zu schleppen und zu Mike in die Stadt zu fahren, aber ich kann mich einfach nicht entscheiden, was ich mitnehmen
und was ich zurücklassen soll. Mike hat einen Rohrschlüssel aus einer der Kisten rausgefischt, bei dem der untere Teil fehlt, und gefragt: ›Was zum Teufel ist das?‹ Ich erinnere mich, wie ich das nutzlose Ding gestern von meiner Werkbank im Keller in die Kiste gelegt habe. Als wär’s ein kostbares Familienerbstück, das es zu retten gilt.«
    Ich nickte. »Ich konnte Mom heute Morgen nicht ausreden, ihre Sammlung von Körben zu verpacken. Sie hatte sie mal im Gebrauchtwarengeschäft gekauft.«
    »Nun, angesichts der Umstände ist es vielleicht nur natürlich, wenn wir im Moment nicht ganz bei klarem Verstand sind.«
    Eine Zeitlang blickten wir betreten auf unsere Füße. Lauschten Jeremys leisem Singsang beim Spielen.
    »Ich sollte mich entschuldigen«, sagte ich schließlich, »für Ezras Verhalten, als du letztes Mal zu Besuch warst.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich hätte wissen müssen, dass ich dich in Schwierigkeiten bringe. Ich hoffe, dein Kommen heute ist kein Problem.«
    »Nein, nicht wirklich.« Ich stellte das Glas auf dem Tisch ab und setzte mich. Jude nahm ebenfalls Platz. Ich nickte in Richtung des Impala. »Du hast die Babyschuhe aufgehoben.«
    »Ich habe sie beim Ausräumen des Kellers zufällig gefunden. Irgendwie schien es das Richtige zu sein, sie ins Auto zu hängen. All die Fahrten, die wir damit unternommen haben.« Auf Nebenstraßen, damit wir nicht zusammen gesehen wurden. »Nächsten Frühling hätte sie ihren Sechzehnten.«
    »Wir wussten nicht mit Sicherheit, dass es ein Mädchen wird.«
    »Damals hast du es aber gedacht.«
    Ich zeigte aus dem Fenster auf Valentines unfertiges Haus. »Als ich noch ein Kind war, hat mein Großonkel jedes Jahr zu
Halloween das alte Haus mit einer Unmenge an ausgehöhlten Kürbissen geschmückt, in denen helle Kerzen flackerten. Dann hat er mich und meine Freunde eingeladen, um uns Geschichten zu erzählen, die er von den Sami in Lappland hatte, über den Geist eines ungewollten Babys, das heimlich von der eigenen Mutter umgebracht worden war. Er sagte, man hätte das Geisterbaby dabei gesehen, wie es über den Schnee krabbelte, auf Rache sinnend und in der Hoffnung, dass die Wahrheit über seinen Tod öffentlich gemacht wird - in der Hoffnung auf einen Namen, damit seine Seele in Frieden ruhen kann.«
    »Die Fehlgeburt war nicht deine Schuld, Katrine. Niemand trägt Schuld daran.«
    »Trotzdem ist es bis jetzt ein Geheimnis. Ich habe es vor Mom verheimlicht. Sie hat das Bild dort, das du von mir gemalt hast, als ich schwanger war, doch nie gesehen, oder?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich gehe immer zu ihnen rüber.«
    »Jeremy weiß jetzt davon. Er wird Fragen stellen.«
    »Spielt das wirklich eine Rolle?«
    »Ich habe es auch Ezra nie erzählt.«
    »Warum

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