Im Tal der Sehnsucht
gesunken.
„Mach deinen Mund auf“, befahl er. „Ich will dich schmecken.“
Es war ein Augenblick wilder, sinnlicher Lust, die Leona den Atem nahm. Verzweifelt presste sie die Lippen zusammen – vergebens.
Um nicht im Meer ihrer Gefühle unterzugehen, schloss sie die Augen und ließ sich von den Wellen tragen.
Boyd küsste sie wild und begierig. Und dann geschah etwas, das Leona eben noch für unmöglich gehalten hatte. Sie erwiderte den Kuss genauso leidenschaftlich und ungehemmt. Sie fühlte nur noch heißes, unstillbares Verlangen. Es war schrecklich und zugleich wundervoll. Wollüstig und göttlich.
Um etwas mehr Bewegungsfreiheit zu bekommen, schob sie ein Knie zwischen seine Beine und spürte seine volle Erregung. Und sie war der Grund dafür!
Sekunden später ließ Boyd sie los. Stieß sie so heftig zurück, dass sie strauchelte und rückwärts in das dichte honiggelbe Gras fiel, das die Felsen umwucherte.
„Ich kann nicht glauben, was du eben getan hast.“ Sie rang nach Atem und rieb sich mit beiden Händen ihre Schläfen.
„Es ist geschehen“, sagte er ebenso atemlos.
„Und war widerlich!“ Was für eine unerhörte Lüge, und doch kam sie ihr über die Lippen.
„Lüg mich nicht an!“, warnte er sie. „Das funktioniert nicht.“ Einen Augenblick lang musterte er sie forschend, dann half er ihr auf.
Sie sah ihn mit weit geöffneten Augen an. „Ich muss lügen“, beteuerte sie. Die Wahrheit hätte das fatale Wort „Liebe“ eingeschlossen. „Begreifst du das nicht? Wir sind Cousin und Cousine. Wir stammen aus derselben Familie.“
Boyd lachte rau. „Cousin und Cousine zweiten Grades.
Nicht einmal das, wenn du bedenkst, dass dein Großvater und mein Großonkel nur Halbbrüder waren.“
„Was ändert das schon?“ Nie hätte sie sich zwischen Boyd und seine Familie gedrängt. Rupert erhoffte sich eine Verbindung mit Chloe Compton, die ein großes Erbe erwartete. Wie konnte sie sich gegen den Willen des übermächtigen Rupert stellen? Damit würde sie niemals durchkommen.
„Eine ganze Menge.“ Boyd wusste, dass sie an die Pläne seines Vaters dachte, an die er sich niemals halten würde. Er war und blieb sein eigener Herr.
„Dann glaubst du wohl, dass es eine Ehre für mich war, von dir geküsst zu werden?“ Leona redete einfach drauflos. Sie wusste nicht mal genau, was sie sagte und ob es überhaupt einen Sinn ergab.
„Du hast mich genauso leidenschaftlich geküsst. Ich habe allerdings keinen Augenblick angenommen, dass du dazu stehen würdest“, sagte er bitter.
Wie sollte sie ihre brennende Sehnsucht nur weiter verstecken? Sie war eine Frau aus Fleisch und Blut – kein Eiszapfen. Trotzdem gelang ihr die Verstellung, das erkannte sie an Boyds Blick. Er wartete auf etwas Entscheidendes, das von ihr kommen musste, aber sie war zu erregt, um klar denken zu können. Sie hatte die Situation herbeigeführt und beherrschte sie nicht mehr.
In ihrer Hilflosigkeit konzentrierte sich Leona auf ein paar etwas entfernt stehende Bäume. „Lass uns ehrlich sein“, sagte sie. „Ich habe zornig reagiert.“ Wenn sie es so hinstellte, war sie sicher. Zorn lenkte von ihren wahren Gefühlen ab und passte zu ihrem üblichen Verhalten.
„Ach ja?“ Boyd machte ein höhnisches Gesicht. „Warum läufst du dann nicht wieder weg?“
In ihrer Verwirrung tappte sie in die Falle. „Vor wem sollte ich denn weglaufen?“
„Das wissen wir beide ganz genau.“
Mehr denn je spürte Leona die Macht seiner blauen Augen, die fast einen violetten Schimmer angenommen hatten. Sie zitterte am ganzen Körper. Ihr war, als würde sie im Strudel ihres Verlangens untergehen.
Boyd erkannte ihre Zerrissenheit und empfand Mitleid mit ihr. „Komm schon her“, murmelte er und zog sie an seine Brust, als wäre sie noch das kleine Mädchen von damals. „Lass uns heimkehren.“
Gab er sich geschlagen? Fast klang es so, obwohl es nicht zu ihm passte. In diesem Augenblick zählte nur, dass er ihr half und damit seine alte Zuneigung bewies. Leona war ihm dankbar dafür. Zuneigung war erlaubt. Dagegen konnte auch die Familie nichts sagen.
Sie hob den Kopf und sah ihn voller Vertrauen an. „Hast du mich nur aus einer Laune heraus geküsst?“ Wenn er jetzt Ja sagte, könnte sie nicht weiterleben.
„Wenn es eine Laune war, muss ich das Wort in Zukunft anders gebrauchen“, antwortete er ernst.
„Ich habe wirklich manchmal Angst.“ Sie versuchte, ihr Verhalten zu erklären. Ohne Mutter, der Vater vor
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