Im Tal der Sehnsucht
zurecht.
„Ja, Schatz? Du darfst nicht vergessen, dass Leute mit viel Geld unter ständigem Druck stehen. Sie haben gewaltige Ausgaben. Häuser, Autos, Privatjets, Jachten, Unmengen von Personal … Für Rupert wären Boyd und Chloe das ideale Paar. Übrigens ist sie ein nettes Mädchen. Etwas melancholisch, aber jeder mag sie … sogar ich, der nicht viel von Frauen versteht. Zwei Vermögen sind eben besser als eins. Das sagt einem der gesunde Menschenverstand.“
„Dann sollte ich dich besser nicht daran erinnern, dass Annalisa ein Auge auf dich geworfen hat“, scherzte Leona. Annalisa, ein zartes, intelligentes Mädchen, gehörte zu Robbies Clique.
„Wirklich?“ Ein leichtes Rot überzog seine schmalen Wangen. „Wie könnte ich sie je darum bitten, auch nur mit mir auszugehen? Ich bin das schwarze Schaf der Familie.“
„Robbie“, warnte Leona. „Fang nicht wieder mit dem Unterlegenheitsquatsch an. Das ist alles Einbildung von dir. Du bist ein attraktiver junger Mann. Sie würde dir bestimmt keinen Korb geben.“
Statt zu antworten, stieß er mit dem Fuß gegen einen der zierlichen Rokokostühle, die im Korridor standen. „Hast du etwas von unseren Eltern gehört?“ Seine Stimme hatte wieder den üblichen spöttischen Ton. Paul und Delia Blanchard besuchten zurzeit London – teils aus geschäftlichen Gründen und teils zum Vergnügen. Sie wurden erst in ein paar Tagen zurückerwartet.
„Dad hat mich gestern Abend angerufen“, berichtete Leona, die wegen des kurzen Gesprächs noch immer beunruhigt war. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass ihr Vater einen einstudierten Text aufgesagt hatte. Möglicherweise war er in Delias Anwesenheit zu gehemmt gewesen, einen persönlichen Ton anzuschlagen.
Sie hätte schwören können, dass ihr Vater Delia nicht liebte. Aber er war ein Blanchard, gehörte also zur besseren Gesellschaft, und da war es unerlässlich, mit einer Ehefrau aufzutreten. Für diese Rolle war Delia bestens geeignet, und sie spielte sie gut. Was sie selbst bei dieser Heirat gewonnen hatte, lag auf der Hand: den Namen Blanchard, Vermögen und einen Vater für ihren Sohn.
„Um mich anzurufen, fehlte meiner lieben Mutter wohl die Zeit.“ Es war Robbie anzuhören, wie froh er darüber war.
„Mit mir hat sie auch nicht gesprochen.“
„Ach, Leona … wir armen verlassenen Kinder! Sind wir darum so empfindlich?“
„Vielleicht, aber ich lasse mich deswegen nicht unterkriegen. Das sollte auch für dich gelten. Es ist nicht leicht, zu den Superreichen zu gehören und doch ausgeschlossen zu sein.“
„Du bist nicht ausgeschlossen“, widersprach er. „Du wirst von der Horde akzeptiert. Das werde ich nie erleben.“
„Du hast viele gute Seiten.“ Leona öffnete die Tür zu ihrem Zimmer. „Geh jetzt und zieh dich um. Wir treffen uns am Tennisplatz. Ob wir Simon und Emma schlagen?“
Robbie strahlte. „Na sicher!“ Er hatte seine gute Laune wiedergefunden.
Als die Geschwister nach ihrem triumphalen Sieg ins Haus zurückkehrten, waren alle Gäste eingetroffen. Im Großen Salon wurden Cocktails serviert, das Dinner war auf acht Uhr festgesetzt.
Leona liebte Festlichkeiten. Sie mochte Männer im Smoking und zog sich selbst gern hübsch an. Jinty und die ehrgeizige Tonya würden wieder miteinander wetteifern. Ihre Familienähnlichkeit ließ sich nicht übersehen. Sie waren beide blond und blauäugig, aber in der Figur unterschieden sie sich gewaltig. Während Jinty mit ihren üppigen Formen kokettierte, versuchte Tonya, durch extreme Schlankheit zu imponieren. Es war ein Kunststück, sie einmal beim Essen zu überraschen.
Nach einem ausgiebigen Bad machte sich Leona sorgfältig zurecht und musterte dann die beiden Kleider, die sie auf dem französischen Prunkbett ausgebreitet hatte. Das eine war aus jadegrünem Crêpe Georgette gefertigt und an der Taille mit einer imitierten Diamantbrosche verziert. Grün war nun einmal ihre Farbe, und das Kleid hatte Stil und wirkte dennoch sexy. Vielleicht zu sexy. Das andere bestand aus Chiffon und hatte einen ganz besonderen Farbton – nicht Pink und nicht Apricot, sondern eine raffinierte Mischung von beidem.
„Der Farbton ist wie für Sie gemacht, meine Liebe. Denken Sie nur an Ihr prachtvolles Haar! Das leichte, duftige Material kann auch nicht jede tragen, aber Sie können es. Greifen Sie zu. Ich schenke es Ihnen“, hatte Bea gesagt .
Das Kleid lag an den Hüften eng an und war einseitig mit Blumen bestickt. Der Mode entsprechend,
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