Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Lobato
Vom Netzwerk:
demütigen? Der Zorn hob Josefa über sich hinaus. Sie packte ihr eigenes Glas, das bis zum Rand voll war, und schüttete den perlenden Wein ins Gesicht der Frau. Die musste die Augen zukneifen, und ein Rinnsal troff in ihr Dekolleté. Ungläubig sah Josefa, wie Jaime reagierte. Er erwachte aus seiner Starre, sah erst sie und gleich darauf wieder die Frau an, und dann tat er, was sie sich so innig gewünscht hatte – er legte seinen schönen Kopf in den Nacken und lachte aus vollem Hals.
    Übermut packte Josefa. Sie warf ihr Glas ebenfalls auf den Boden, hörte das Gelächter der Umstehenden und fühlte sich schwindlig vor Triumph. Beflissen hastete ein Kellner herbei, stellte zwei neue Gläser neben ihren Kühler und füllte sie.
    Recht schnell hatte die Frau sich gefasst. Sie strich sich ein wenig Nässe unter den Augen weg, ließ den Rest laufen und wandte sich Josefa zu. »Sie sind ein sehr törichtes Mädchen, wissen Sie das? Dass Ihr kluger Vater eine so törichte Tochter hat, tut mir für Sie noch mehr leid als für ihn. Ich bedaure, Sie belästigt zu haben, und werde Sie um Ihre Hilfe nicht mehr bitten. Nehmen Sie meine Karte dennoch. Falls dieser Herr irgendwann sein wahres Gesicht zeigt und Sie in Nöten sind, können Sie sich gern an mich wenden.« Sie legte eine weiße Visitenkarte auf den Tisch, drehte sich um und ging.
    Josefa sah ihr nach. Sie hatte sich geirrt. Die Frau war nicht perfekt. Jetzt, da ihre Grandezza verpufft war, hatte ihr Gang geradezu etwas Plumpes an sich, und ihre Mitte wirkte ein wenig ausladend, als trüge sie ein schlecht geschnürtes Korsett. Jaime schob ihr ein Glas hin. »Wollen Sie das noch trinken? Ansonsten würde ich gern gehen.«
    »Ich will das, was Sie wollen«, antwortete sie. Ohne ihr den Arm zu bieten, ging er ihr voran durch den Saal. Mit jedem Schritt schwoll das Getuschel, und Josefa war froh, als sie endlich draußen in der samtigen Nachtluft standen. Beim Blick in den Sternenhimmel fiel ihr die Musik wieder ein, die herzzerreißende Süße. Warum nur hatte dieser traumhafte Abend so enden müssen?
    »Nun kommen Sie schon«, sagte er und wies mit dem Stock auf seinen Wagen. »Ich bringe Sie nach Hause.«
    Sie folgte ihm mit hängendem Kopf. Unter der Kutscherlaterne blieb er stehen und drehte sich nach ihr um. Rasch streckte sie die Hand nach seinem Arm, wagte aber nicht, ihn zu berühren. »Es tut mir so leid«, sagte sie. »Hat sie … hat sie Ihnen weh getan?«
    Seine Miene verschloss sich. »Mir tut niemand weh. Aber Menschen ohne Erziehung, die sich wie Barbaren benehmen, ekeln mich an.«
    »Ich auch?« Betroffen blickte sie zu Boden.
    Er hob ihr Kinn und sah sie an. Um seine Mundwinkel spielte die Spur eines Lächelns. »Nicht so sehr«, sagte er.
    »Ich habe mit dieser Frau nichts zu schaffen!«, rief Josefa leidenschaftlich. »Ich will sie nie wiedersehen, nie, nie, nie!«
    »Ihre Karte haben Sie aber eingesteckt.«
    Josefa suchte in ihrer Abendhandtasche nach der Karte, fand sie aber nicht. »Das muss ich aus Versehen getan haben, und Sie müssen mir glauben, dass das alles nicht meine Schuld war. Ich kenne sie gar nicht, ich habe sie nur einmal gesehen, und das war die schlimmste Nacht meines Lebens!«
    »Na, na.« Er griff nach einer Haarsträhne, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte, wickelte sie sich um den Finger und strich sie dann hinter ihr Ohr.
    »So war es wirklich«, beteuerte Josefa. »Sie hat in diesem Wagen gesessen, und …«
    »Scht.« Er legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Über die Widerwärtigkeiten des eigenen Vaters spricht man nicht, denn damit entwürdigt man sich nur noch mehr. Beruhigen Sie sich. Ich glaube Ihnen ja, dass Sie mit der Mätresse Ihres Vaters nichts zu tun haben wollen.«
    Er ist nicht mein Vater, wollte Josefa herausstoßen. Im letzten Augenblick schluckte sie es hinunter, ohne genau zu wissen, warum. »Glauben Sie mir wirklich?«
    »Ja.«
    »Bitte«, sagte sie, »fahren Sie mich noch nicht nach Hause. Der Abend war so unvergleichlich – können wir nicht noch irgendetwas tun, damit er einen schönen Abschluss hat?«
    »Was möchten Sie denn tun? Zu Abend essen? Mir ist der Appetit offen gestanden vergangen, und auf einen Gang ins Kasino verzichte ich ebenfalls. Unser kleiner Zwischenfall hat in dieser Stadt der Klatschbasen ohne Zweifel schneller die Runde gemacht als die Feuerwache.«
    So nah, wie er bei ihr stand, konnte sie seinen Duft wahrnehmen. Das Verlangen, ihn zu berühren, verlieh ihr Mut.

Weitere Kostenlose Bücher