Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)
machte sie ihn lachen, und das verwirrte ihn. Nichts machte ihn lachen, wenn er es nicht wollte – warum dann dieses dumme kleine Ding?
Er hatte doch dumme Dinger ohne Zahl gehabt, er hatte die dummen Dinger längst satt.
Aber etwas an dieser war anders. Auch ohne ihren Vater. Sie war, was Jaime in solchem Ausmaß nie erlebt hatte – durch und durch echt. Den ganzen Unsinn, der mit verblüffender Kraft und ohne jede Hemmung aus ihr heraussprudelte, meinte sie so, wie sie ihn sagte.
»Ach Liebster, mein Liebster. Wenn ich mir vorstelle, wie du dort auf diesen Empfängen herumläufst, dann sehe ich vor mir, wie all die Leute ihre Gespräche unterbrechen, sobald du den Raum betrittst, wie dem Präsidenten seine Rede im Hals steckenbleibt und wie die dicke Señora Romero Rubio sich an ihrer achten Meringue verschluckt.«
»Offenbar hat sich wirklich niemand je die Mühe gemacht, dich zu erziehen«, bemerkte er und kämpfte gegen den unzähmbaren Drang zu lachen. »Hast du für derlei Reden wahrhaftig nie eine Tracht Prügel bezogen?«
»Nein«, sagte sie ehrlich erstaunt und sah ihn aus ihren riesenhaften Kinderaugen an.
»Und warum sollen deiner Meinung nach all diese Leute in Verlegenheit geraten, wenn ich einen Raum betrete?«
»Weil du so schön bist«, erwiderte sie feierlich. »Ich könnte nicht weiterreden, wenn ich der Präsident wäre, und nicht weiter Essen in mich hineinstopfen, wenn ich die Señora Romero Rubio wäre – ich müsste dich anstarren und schweigen.«
Sie tat es. Starrte ihn an und schwieg, bis plötzlich eine Art Blitz durch ihren Leib zuckte, sie sich über ihn stürzte und ihn von neuem mit ihren Küssen überhäufte. »Du bist das Schönste, was Gott je geschaffen hat. Ich glaube, er musste, als er dich fertig vor sich sah, selbst für einen Augenblick aufhören allmächtig zu sein und dich anstarren und schweigen.« Seine Lage, auf dem Rücken hingestreckt und ihrem Kusshagel ausgeliefert, hatte etwas Unangenehmes, aber lachen musste er trotzdem. Er hatte von Frauen so viele Komplimente bekommen, dass sie ihm samt und sonders zum Hals heraushingen, aber für ihr Geschwätz, das den Himmel aus den Angeln hob, war etwas in ihm empfänglich. Wäre er ein Mensch gewesen, der an faulen Zauber glaubte, vielleicht hätte er geglaubt, ihre tollkühne Rückhaltlosigkeit verzaubere ein wenig auch ihn.
Ja, er wollte ihr das Herz brechen, aber er würde es in seinem eigenen Zeitrahmen tun. Allmählich, in winzigen Dosen, die er weidlich auskosten konnte. Nebenbei gab es andere Dinge, die er vorantreiben würde, um seinen Triumph und die Niederlage seines Gegners vollkommen zu machen.
In der Frühe schickte er sie unerbittlich in ihre eigene Wohnung zurück. Selbst wenn es nur ein paar Schritte um eine Straßenecke waren, beauftragte er seinen Fahrer. Immer bestürmte sie ihn, mit ihr zu fahren, nur um diese winzige Spanne Zeit zu gewinnen und sich noch nicht von ihm trennen zu müssen. Manchmal kamen ihr dabei die Tränen, und manchmal gab er ihr nach, doch um sie dafür bezahlen zu lassen, quälte er sie auf dem Weg.
»Wenn du schon in Tränen ausbrichst, weil ich auf dieser albernen Fahrt nicht bei dir bin, was willst du dann erst anfangen, wenn ich überhaupt nicht mehr bei dir bin?«
»Das darf nie geschehen, Liebster. Auf alles andere kann ich verzichten, aber ohne dich kann ich nicht leben. Du musst immer bei mir sein.«
»Ich werde aber nicht immer bei dir sein«, sagte er und verspürte einen winzigen Stich. Ihr weh zu tun war ein Vergnügen, eine kleine Abwechslung in der endlosen Leere, aber ihr schreckstarrer Blick traf einen Teil von ihm, der noch nicht völlig unverwundbar war. »Ich habe dich gewarnt: Wenn ich deiner überdrüssig bin, lasse ich dich fallen. Du lernst also besser beizeiten, ohne mich fertig zu werden.«
»Dann darfst du meiner einfach nie überdrüssig werden!« Sie küsste ihn, dass es schnalzte. »Weißt du nicht mehr? Ich mache es wie die Clowns auf der Plaza de Santo Domingo. Ich vollführe jedes Kunststück, nach dem dir der Sinn steht, und wenn du es satthast, wie ich mich selbst mit Messern bewerfe, dann schlucke ich eben Feuer.«
»Jedes Kunststück?«, fragte er, und der Teufel ritt ihn. »Dann geh und sag deiner vertrockneten Hausmaus, dass du es satthast, dich von ihr begaffen zu lassen.« Er wies auf ihre lachhafte Anstandsdame, die sich hinter einem der Fenster duckte und mit ihren kurzsichtigen Augen die Straße absuchte. »Ich komme mit
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