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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Lobato
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dir, wenn du willst.« Bisher hatte er es abgelehnt, ihre Wohnung zu betreten.
    »Du willst mit mir nach oben zu Felice gehen? Aber du hast doch gesagt, du magst mit den Leuten aus meinen Kreisen nichts zu tun haben!«
    »Es ist ein neues Kunststück«, meinte er und zuckte mit den Schultern, in denen er heute kaum Schmerzen von Verkrampfungen spürte. »Du hast gesagt, wenn ich das alte satt bekomme, führst du mir ein neues vor. Willst du jetzt etwa kneifen?«
    Sie war alles Mögliche, das ihm missfiel, aber feige war sie nicht. Ohne zu warten, dass er den Schlag für sie öffnete, sprang sie aus der Kutsche. Er reichte ihr den Arm, und gemeinsam stiegen sie die Treppe hinauf.
    »Josefa!« Die graue Maus von einer Anstandsdame kam ihnen entgegengefegt. Sie war bleich wie ausgespuckt, ihr kümmerliches Haar entbehrte jeder Form. »Gott im Himmel, Kind, wo hast du denn gesteckt?«
    »Und was geht das dich an?«, versetzte das sogenannte Kind zu Jaimes Amüsement. »Ich habe genug davon, dass du mich ständig verfolgst und bespitzelst, Felice. Diese Wohnung gehört mir, die Urkunde ist auf meinen Namen ausgestellt, und überhaupt will ich nicht länger, dass du hier bei mir wohnst.«
    Die Maus zwang ihren Rücken zu erstaunlicher Straffheit und reckte das Kinn. »Dein Vater will aber, dass ich hier wohne«, sagte sie dünnlippig. »Dein Vater, der die ganze Nacht hier gesessen und gewartet hat, weil er dich unbedingt sehen wollte. Weil er mit dir sprechen und dich in die Arme nehmen wollte.«
    »Mein Vater soll mir gestohlen bleiben!«, barst es aus ihr heraus. Ihr Gesicht war gerötet, die Augen aufgerissen, der Atem heftig vor Erregung. »Du kannst ihm ausrichten, die Zeiten, in denen ich mit ihm sprechen wollte, sind vorbei. Er soll mir nur ja nicht nahekommen – ich schäme mich dafür, dass er mein Vater ist.«
    Das dürre Mäuslein zuckte wie geschlagen zusammen. »Und womit hat er das verdient, dein Vater, der sich solche Sorgen um dich macht? Was hat er dir getan?«
    »Ich schäme mich für ihn!«, schrie Josefa noch einmal. Tränen verschleierten ihr die Augen. »Er kann von Glück sagen, dass ich den Grund für mich behalte, anstatt ihn dir und all den anderen, die ihn in den Himmel heben, zu erzählen.«
    Unwillkürlich legte Jaime ihr die Hand auf den Rücken und spürte die Kraft, mit der sie zitterte.
    »Gewiss macht er manches falsch«, hörte er die Anstandsdame sagen. »So wie alle Väter. So wie alle Menschen. Ich habe nie einen Vater gekannt. Wohl deshalb stelle ich es mir noch immer wundervoll vor, jemanden zu haben, der mich so sehr liebt, dass er sich um meinetwillen Nächte um die Ohren schlägt und wie ein Jaguar von einer Zimmerecke in die andere stampft. Einen, der mir verzeiht, was immer über mich geredet wird, und sich sogar von mir in seiner Ehre kränken lässt.«
    »Hör doch endlich auf, Felice!«, schrie Josefa, deren Rücken sich unter Jaimes Hand zum Bersten spannte. »Was ist Benito Alvarez für dich? Ein Gott? Die wandelnde Unfehlbarkeit? Glaubst du, wir haben auf El Manzanal nicht alle gewusst, dass du heimlich in ihn verliebt und am Boden zerstört warst, weil er deine liebste Patin geheiratet hat? Verschone mich mit deinen Lobeshymnen, hörst du? Wenn du mich nicht zwingst, werde ich dir deinen Götzen nicht zerstören, aber du lass gefälligst deine Finger aus meinen Angelegenheiten. Sonst flüstere ich dir ins Ohr, warum dein angebeteter Benito Alvarez überhaupt keine Ehre hat, in der ihn jemand kränken kann.«
    Sie konnte nicht mehr. Heftig hob und senkte sich ihr Rücken, während sie nach Luft schnappte. Die Anstandsdame glotzte jeder Fassung beraubt vor sich hin und klappte ihre Kiefer auf und wieder zu.
    »Ich denke, Sie haben Doña Josefa verstanden«, sagte Jaime und strich Josefa den Rücken hinunter. Für ihre Tapferkeit verdiente sie ihr Stück Zucker wie sein Gespann von Hispano-Arabern, wenn es an den Wagen von Krethi und Plethi vorbeigaloppierte. »Es wäre wohl angebracht, dass Sie Ihre Sachen packen und sich eine andere Unterkunft suchen, Señorita. Doña Josefa wird Ihnen dazu selbstverständlich eine angemessene Frist lassen, wie es unter zivilisierten Menschen üblich ist. So lange werde ich mir erlauben, sie als meinen Gast zu beherbergen.«
    Ihr verweintes Gesicht fuhr zu ihm herum. »Meinst du das ernst? Ich darf bei dir bleiben?«
    »Josefa!«, kreischte die Anstandsdame, aber Josefa hatte nur Augen für Jaime.
    »Gehen wir«, sagte er, drehte sich

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