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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Lobato
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Variation. Du zwitscherst mir so lange ins Ohr, bis ich mich gottergeben aufs Bett fallen lasse, und dann wirfst du dich über mich und verzärtelst mir jedes Stück Haut meines Körpers, bis ich glaube, aus dieser verfluchten Kautschukmasse zu bestehen und kein Mann mehr zu sein, sondern ein Spielzeug für Wickelkinder.«
    Dass er mit einer Flut von Beleidigungen über sie herfiel, war nichts Neues für sie. Er tat es nicht, um sie zu kränken, sondern weil er selbst gekränkt worden war und sich an irgendwem auslassen musste, um nicht vor Schmerz zu schreien. Neu war, dass er Herzchen zu ihr sagte. Nie zuvor hatte er sie bei einem Kosenamen genannt. »Ich liebe dich«, sagte sie.
    »Ach, das hatte ich noch vergessen. Nebenbei wirst du mir noch wie einer dieser Automaten wieder und wieder erzählen, dass du mich liebst, als wäre ich entweder taub oder debil. Vermutlich ist das gut gemeint, Herzchen, aber es macht nichts besser.«
    »Ich weiß«, erwiderte Josefa tapfer. »Sag mir, was für ein Kunststück du dir von mir wünschst, und ich vollführe es für dich.«
    In seinem Mundwinkel erahnte sie eine Spur der Kerbe. »Und einfach gehen lassen willst du mich nicht?«
    »Niemals, Liebster.«
    »Aber wenn du dein letztes Kunststück aufgeboten hast, gehe ich ohnehin. Weshalb es also aufschieben?«
    Sie lehnte sich an ihn. »Weil du dann nicht mehr gehen willst, Liebster, sondern bleiben.« Sie würde ihn heiraten. Was ihre Familie davon dachte, war ihr einerlei.
    Er schien ihre Gedanken zu lesen. »Gesetzt den Fall, dass ich das wirklich wollte – was täten wir dann?«
    Sie brachte es nicht über die Lippen. Er sollte derjenige sein, der es aussprach. »Das, was Mann und Frau immer tun, wenn sie einander lieben und ihr Leben teilen wollen.«
    »Aha.« Er räusperte sich und musterte sie mit verstörendem Interesse. »Wer ich bin, weißt du aber?«, fragte er sie dann.
    »Du bist mein Liebster!«, rief sie. »Du bist der wundervollste Mann auf …«
    »Schluss jetzt mit den Rosenkränzen!«, fiel er ihr ins Wort. »Ich bin der einzige Sohn von Felipe Sanchez Torrija, der zwar auf beiden Elternseiten nur ein geschmackloser Kreole ist, aber eines der größten Vermögen in ganz Mexiko besitzt. Eine Familie wie die meines Vaters heiratet in den Himmel, nicht in den Schlamm. Aber das wäre noch nicht einmal das erheblichste Hindernis, denn zumindest mit seinen Flittchen war mein Vater nie wählerisch, und was ich tue, kümmert ihn nicht. Möchtest du dagegen gern wissen, wer meine Mutter war, mein Herzchen?«
    Tapfer nickte Josefa.
    Jaime verzog den Mund. »Meine Mutter war die Tochter eines spanischen Grandes erster Klasse. Glaubst du wirklich, der Enkel des Marquesado de Canena y La Loma könnte die Tochter eines indianischen Pferdeburschen heiraten? Nicht einmal du kannst so einfältig sein, dass du das glaubst.«
    Nur ein einziges Mal in ihrem Leben hatte Josefa eine Ohrfeige erhalten, von der Großmutter Ana, und den brennenden Schmerz würde sie nie vergessen. Nicht auf der Wange, sondern wühlend und tief in ihrem Inneren. Sie hatte zu ihrem Vater laufen, sich in seine Arme werfen und sich bitter beklagen wollen, doch ihr Stolz hatte es ihr verboten. Derselbe Schmerz durchfuhr sie jetzt. Ohne nachzudenken, ließ sie Jaime los und richtete sich auf, den Rücken kerzengerade und die Schultern straff. »Ich habe dir gesagt, der indianische Pferdebursche ist nicht mein Vater«, begann sie, wobei sie jede Silbe durch eine zu enge Kehle quetschen musste. »Ich bin die Tochter einer Hamburger Kaufmannserbin und eines Tiroler Offiziers und Barons.« Ein Augenblick der Verblüffung strich über sein Gesicht und erlöste sie von dem brennenden Schmerz. »Sehe ich vielleicht aus wie die Tochter eines Barbaren?«, setzte sie nach. »Ich weiß, man merkt mir an, dass mich ein Knecht ohne Manieren erzogen hat, und in deinen Kreisen würde ich dich damit blamieren. Aber kann ich nicht lernen, was mir entgangen ist? Was mir von der Vaterseite zugestanden hätte?«
    Jaime tat etwas, zu dem er sich kaum je hinreißen ließ. Er legte leicht einen Arm um sie und küsste sie ohne ihr Zutun auf den Mund. »Sag, lässt der sich auffinden, der Tiroler Baron?«, raunte er, und seine Stimme klang so sinnlich, als lägen sie drüben unter ihrem Betthimmel.
    »Ich finde ihn!«, rief Josefa, und einen Herzschlag lang wünschte sie, sie könnte es wirklich tun – den Tiroler Baron finden, der Jaimes Anspruch genügen und sie, Josefa,

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