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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Lobato
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trampeln sich tot.«
    »Und was bitte sollte ich tun?« Er drehte den Kopf weg und spuckte auf den Boden. »Mich auch zertrampeln lassen? Das einzig Gute ist, dass diese Herde von idiotischen Barbaren es nicht besser verdient, wenn sie sich in eine solche Falle locken lässt.«
    Josefa weinte auf und bekam von all den Worten, die sie sagen wollte, keines heraus.
    Er stieß sie grob zur Seite. »Nimm dich gefälligst zusammen.« Dann rannte er durch die Tür, durch die sie gekommen waren, ins Gebäude zurück. Es war das erste Mal, dass Josefa ihn rennen sah, die schwarzen Schöße des Gehrocks fliegend. Atemlos vom Weinen jagte sie ihm hinterher.
    Er durchquerte den unteren Saal, stürmte zur Vordertür hinaus auf die Straße und rannte auf den Tumult zu, auf das gigantische Menschenknäuel, das sich am Boden wälzte. In der Mitte der Straße blieb er stehen und brüllte aus Leibeskräften: »Hier ist mehr davon, ihr Hohlköpfe. Mehr.«
    Aus seinem Rock zog er seine Börse und schleuderte den Inhalt – einen Hagel von Münzen – aufs Pflaster. Einen Augenblick lang sah es aus, als würde nichts geschehen, als hätten die Rasenden, ineinander Verkeilten ihn nicht gehört. Dann aber lösten sich die ersten aus dem Knäuel. Die, die zuoberst lagen, rannten los, um nach dem neuen Geldsegen zu schnappen, und gaben damit andere frei. Der Ansturm warf Jaime zu Boden, doch er wand sich gerade noch schnell genug unter den Körpern hinweg, sprang auf und wich zurück. Dort, wo Männer aufgesprungen waren, gelang es Frauen, ihre Kinder zu befreien und zu fliehen. Es war das Klügste, was Jaime hatte tun können. Das Einzige. Sie hatte ihn immer geliebt, vom ersten Augenblick an, aber nie so ohne Grenze wie jetzt.

    Es dauerte lange, ehe er zu ihr zurückkam, sie ohne ein Wort beim Arm nahm und hinter das Haus zu den Wagen führte. Sein Kragen und seine Hemdbrust hingen regelrecht in Fetzen, sein schwarzes Haar war zerrauft, und über seinem Wangenknochen prangte leuchtend rot eine Schürfwunde. Josefa hatte ihn nie so schön gesehen. Sie wollte ihm alles sagen, ihn mit zärtlichen Worten, die er tausendmal verdiente, überfluten, aber ausgerechnet jetzt versagte ihr die Stimme. So zart, wie sie konnte, streichelte sie ihn, um seinem verletzten Gesicht keinen Schmerz zuzufügen.
    »Lass das jetzt, Herzchen«, sagte er müde und verständigte sich durch Gesten mit seinem Kutscher. Der zog sich ein Stück weit zurück und zündete sich eine Zigarette an.
    Josefa reckte sich auf Zehenspitzen und presste ihre Lippen auf den klopfenden Puls an Jaimes Hals. Ich habe es immer gewusst, wollte sie ihm sagen, indem sie ihre Zunge seine Haut liebkosen ließ. Du bist nicht nur äußerlich schön, sondern ebenso im Inneren. Deine Augen sind wie Carmens Honig, und deine Seele ist genauso golden. Wer übel über dich redet, tut es nur, weil er nichts von dir weiß.
    Seine Hände umfassten ihre Wangen und hoben ihr Gesicht. »Es ist genug. Reiß dich endlich zusammen. Mein Kutscher bringt dich nach Hause.«
    »Kommst du nicht mit?«
    »Nein, ich komme nicht mit. Und ehe du mich fragst, ich komme auch morgen nicht und auch nicht am Ostersonntag. Ich komme gar nicht mehr, kleine Josefa Alvarez. Du kannst in der Wohnung bleiben, bis der Monat abgelaufen ist, aber danach ist sie weitervermietet. Am besten, du ziehst in deine eigene Wohnung zurück.«
    Sie wollte das, was er sagte, nicht verstehen. Es passte nicht. Es gehörte in den falschen Traum, den ein Fremder mit ihrem eigenen vertauscht hatte. »Liebster.«
    »Bitte hör auf«, sagte er. »Deine Litaneien waren auf ihre Art possierlich, aber irgendwann konnte ich sie alle im Schlaf herbeten.«
    »Aber ich habe dir doch deine Wünsche erfüllt. Ich habe alles getan, was du wolltest – auch meinem Vater gesagt, dass ich ihn nie mehr wiedersehen will und dass er nicht mein Vater ist!«
    Er hob ihr Kinn und hauchte ihr einen Kuss auf die Nase. »Das letzte Kunststück, erinnerst du dich? Ich habe dir gesagt, wenn du es aufgeboten hast, gehe ich ohnehin.«
    »Aber es ist doch nicht das letzte«, schrie sie gellend und wie von Sinnen. »Ich tue noch mehr, noch viel mehr, ich tue alles für dich!«
    Mit hartem Griff verschloss er ihr den Mund. »Was willst du denn jetzt noch für mich tun, Herzchen? Etwa mir verraten, wer der Geist des Pinsels war?«
    »Tomás«, platzte es aus ihr heraus, sobald seine Hand ihre Lippen freigab. Dann schlug sie sich entsetzt auf den Mund. Irgendwo in der Stadt

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