Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)
eigentlich einer Hacienda, in einem fruchtbaren Land, das Querétaro heißt. Sie hat eine Erziehung erhalten, die sich hinter der keines Adligen zu verstecken braucht, und hat Eltern, die sie über alles lieben.«
Statt zu übersetzen, platzte Franzi heraus: »Aber die Gruberin hat doch gesagt, die Katharina Lutenburg hat einen von den Affenmenschen geheiratet, weil kein anderer sie mit dem Kind genommen hätte!«
»Katharina Lutenburg hat Benito Alvarez geheiratet, weil sie keinen anderen wollte«, erwiderte Dolores ruhig. »Ihr Mann ist Gouverneur von Querétaro und gehört zum Beraterstab des Präsidenten. Dass allerdings dunkelhäutige Menschen, wenn man nicht an sie gewöhnt ist, ein wenig wie Affen wirken, kann ich nachvollziehen. Auf mich wirken blonde, blasse Menschen auch immer wie Weißkäseleiber auf Beinen, aber ich versichere Ihnen, das legt sich, wenn man länger hinschaut.«
Jetzt war es um Franzi geschehen – sie zupfte an ihrem ausgefransten blonden Haar und lachte lauthals los. Natürlich hatte Dolores recht – auf die Affenmenschen wirkte sie bestimmt genauso merkwürdig wie die Affenmenschen auf sie. Und dass Josefa von guten Menschen erzogen worden war, merkte man ihr an, denn ansonsten wäre sie sicher selbst kein so guter Mensch geworden.
Franzi lachte nicht nur, weil der Vergleich so treffend war, sondern auch, weil sie noch nie so glücklich gewesen war wie in diesem Augenblick. Nicht nur, weil sie so satt war wie im ganzen Leben nicht, sondern auch, weil sie mit den drei Frauen in diesem Lokal saß wie ein Mensch unter Menschen. Nicht als Franziska Pergerin, die Hurentochter, sondern als Franzi, ein Weißkäse-Mädchen, das mit ein paar Bekannten zum Essen ging. Mit ein paar Bekannten! Es war nicht zu fassen. Aber das Glück an diesem Tag hatte für Franzi noch lange kein Ende.
Nach etlichem Hin- und Herübersetzen kam nämlich die Gruberin auf ihr eigentliches Thema zu sprechen. Sie wollte Josefa mit nach Tirol nehmen. Jetzt sofort. Damit verstörte sie die arme Josefa endgültig. »Aber ich kann doch hier nicht weg!«, rief sie. »Ich will sehen, wo mein Vater gewohnt hat, ich will jede Einzelheit über ihn wissen, aber ich kann doch nicht von Jaime fort, ich muss bei Jaime bleiben.«
»Ich kann nicht warten«, sagte die Gruberin bitter. »Ich habe all meine Mittel in diese Suche nach dir gesteckt, und nun ist mir nichts mehr geblieben. Die Familie der Lutenburg, die mir deine Existenz verschwiegen hat, hielt es immerhin für angebracht, mir die Übersiedlung in eine bescheidene Pension zu ermöglichen, aber auch dort ist das vorausbezahlte Geld inzwischen aufgebraucht. Ab morgen habe ich kein Dach mehr über dem Kopf. Deshalb musste ich mich dir heute endlich zu erkennen geben, auch wenn die Familie der Lutenburg mich daran ja weiterhin hindern wollte.«
»Nennen Sie doch meine Mutter nicht die Lutenburg«, rief Josefa. »Sie heißt Katharina Alvarez, alle Welt nennt sie Kathi.« Dann griff sie mit der Hand, die nicht die Schachtel umklammerte, über den Tisch nach den Händen der Gruberin. »Sie dürfen nicht abreisen«, flehte sie geradezu. »Ich habe Sie doch gerade erst gefunden. Hören Sie, das mit Ihrer Pension ist überhaupt kein Problem. Ich habe eine Wohnung nicht weit von der Alameda. Sie ist groß und schön und sauber, und kein Mensch wohnt darin. Sie müssen sie nehmen und bleiben. Sie müssen.«
Groß und schön und sauber, und kein Mensch wohnte darin. Für Franzi klang es, als würde der Geistliche von der Kanzel über das Paradies predigen. Es gab von neuem ein endloses Hin und Her, bei dem Dolores beharrte, Josefa solle aus ihrem ungesunden Zimmer ebenfalls in die schöne saubere Wohnung umsiedeln, und außerdem sei sie auf diese Weise Tag und Nacht mit ihrer neu gewonnenen Tante zusammen. Josefa hingegen beteuerte, sie könne ihren Eltern, die sie in der Wohnung finden würden, nie wieder unter die Augen treten, was Dolores für Unsinn erklärte. Letzten Endes landete Josefa wieder bei jenem Menschen namens Jaime und weinte, sie könne nicht in der Wohnung leben, weil Jaime sich weigerte, dort einen Fuß hineinzusetzen. Franzi sah ihre Felle davonschwimmen und wünschte den unbekannten Jaime dorthin, wo der Pfeffer wuchs.
»Also schön«, gab Dolores schließlich nach. »Dann bleiben Sie eben nur die ersten paar Tage mit Ihrer Verwandten in der Wohnung, und ich lasse Jaime Sanchez Torrija eine Nachricht zukommen. Sobald er sich meldet, können Sie ja dann
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