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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Lobato
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Kopf herunter, presste ihr Gesicht an seines und weinte, bis er das Bewusstsein verlor und ihr aus den Armen zu Boden glitt.

41
    W enn die ganze Welt sich wie Idioten benimmt, kannst du es nicht auch noch tun«, sagte Katharina. »So leid es mir tut, Benito.« Es tat ihr wirklich leid. Vor allen anderen hätte diesmal er das Recht zu idiotischem Benehmen gehabt, und etwas in ihr wollte dasselbe tun wie er – nach Yucatán fahren. Diesen Sohn von Sanchez Torrija packen und mit den Fäusten ins Gesicht schlagen, bis er ihre Tochter herausgab. Aber Yucatán war ein riesiges Land, und auf seiner Plantage war Sanchez Torrija nach allem, was sie wussten, nicht eingetroffen. Porfirio Diaz persönlich hatte sich eingeschaltet und von höchster Stelle Telegramme versandt. »Ich möchte dich gelegentlich in meiner Pfeife rauchen«, hatte er zu Benito gesagt. »Und ich weiß, dass du in mir den Diktator erkennst, der ich in fünf Jahren zu sein gedenke. Aber ich bin immer noch dein Freund.«
    Porfirio, Martina und Felix, der Conde de Vivero, Eduardo Devera mit seiner Belegschaft von El Tiempo  – die halbe Stadt stürzte sich in die Suche nach Anavera. Festzustehen aber schienen nur zwei Dinge: Die beiden waren tatsächlich nach Yucatán gefahren. Und Anavera war Sanchez Torrija freiwillig gefolgt.
    »Du weißt selbst, dass es sinnlos ist«, sagte Katharina und umarmte ihn. »Bleib bei mir, Liebling. Ich weiß, du hältst es nicht aus, und ich halte es auch nicht aus, aber solange du hier bist, können wir wenigstens zusammen den Verstand verlieren.«
    »Ich bringe ihn um«, murmelte Benito. »Du glaubst mir nicht, oder? Aber ich bringe ihn um.«
    Sie streichelte seine Wange. »Doch«, sagte sie. Sie hatte ihrem Vater geglaubt, als er gedroht hatte, Benito umzubringen, und um ein Haar hätte ihr Vater es getan. Aber Benito war kein Unmensch gewesen, der skrupellos ein Mädchen zerstörte, sondern der Mann, der sie so zärtlich und voller Achtung liebte, wie ein Vater es sich für seine Tochter nur wünschen konnte. Am Ende hatte ihr Vater sie zum Altar geführt, und ehe er sie übergab, hatte er die Arme um Benito gelegt. »Du passt mir auf meine Kathi auf«, hatte er gesagt, und als sie aus der Kapelle kamen, wartete dort ein Spalier aus Apfelbäumchen, die er aus seiner norddeutschen Heimat hatte einschiffen lassen.
    Ihre Tochter Anavera hingegen war buchstäblich unter die Wölfe gefallen. Und ihre Eltern konnten seit Tagen nichts tun, als tatenlos abzuwarten.
    »Willst du einen Mezcal?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht«, erwiderte Katharina.
    Ehe er noch etwas sagen konnte, klopfte es, und Doña Consuelo, die nie taktvoll auf Einlass wartete, riss die Tür auf. »Da ist diese Dame für Sie«, knurrte sie. Allen Erklärungen zum Trotz weigerte sie sich standhaft, ihr Misstrauen Dolores gegenüber abzulegen.
    »Sie soll hereinkommen«, rief Katharina schneller als Benito.
    Dolores, sonst die stilistische Vollkommenheit in Person, sah aus, als wäre sie in den gefürchteten Windsturm El Norte geraten. »Benito!«, rief sie, »Doña Catalina! Sie müssen kommen! Die arme Franzi hat es nicht länger ausgehalten und mir erzählt, dass sie heute Abend abreisen. Señora Gruber, Franzi und Josefa – sie nehmen den Nachtzug nach Veracruz.«
    Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Was Veracruz bedeutete, wussten sie beide nur zu gut. Das Meer. Die Schiffe nach Europa.
    »Ich habe meinen Wagen unten«, rief Dolores auf der Treppe. In der Kutsche verglichen sie Uhren und Fahrpläne. Ihnen blieb eine Stunde. Wohl zum ersten Mal in seinem Leben befahl Benito einem Kutscher, seine Pferde mit der Peitsche zu treiben.
    Wie üblich quoll der Bahnhof vor Menschen über. »Ich bleibe hier«, sagte Dolores am Eingang. »Wenn Sie mich brauchen, bin ich da.« Zögernd griff sie nach Benitos Arm. »Vielleicht sollten Sie allein gehen, Doña Catalina. Es tut mir so leid, Benito, aber ich glaube, sie kann dich im Augenblick nicht ertragen. Sie hat sich in den Gedanken verbissen, du hättest ihr den Vater gestohlen.«
    Katharina sah, wie ihr Mann, dem man nachsagte, die Ruhe selbst zu sein, alle Muskeln spannte, wie der ewig beherrschte Zorn an die Oberfläche wallte und wie er den Mund öffnete, um ihm endlich Luft zu machen. Die Halssehnen, die Halsschlagadern, die Muskeln der Kiefer, alles schwoll zum Bersten. Was immer er jetzt verlangte, sie musste es ihm gewähren, konnte nicht von ihm fordern, dass er wiederum stillhielt. Einen Herzschlag

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