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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Lobato
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Tag wieder und halte deine Knie geschmeidig. Für heute bin ich erschöpft und brauche Erholung im Club. Kommst du mit? Oder verschmachtet sich Dolores nach dir? Du solltest übrigens aufpassen – falls der Vater der Dame von der Sache Wind bekommt, versiegt nicht nur die sprudelnde Quelle für deinen Entwässerungsunsinn, dann geht es dir an deinen hübschen Kragen.«
    »Nein, ich komme nicht mit«, antwortete Benito, dem klar war, dass er für Miguel heute nicht mehr tun konnte. Wenn Porfirio erschöpft war, dann fühlte er sich völlig ausgelaugt. So feige er sich dabei vorkam, würde er Dolores heute aus dem Weg gehen und auch Tomás, der ihn seit seiner Rückkehr um ein Treffen bat, noch einmal vertrösten. Er wollte nichts weiter als sich in seinem Zimmer an den Schreibtisch setzen und Josefa einen weiteren Brief schreiben, den entweder er nicht abschicken oder sie nicht beantworten würde. »Gute Nacht, Porfirio«, sagte er.
    »Gute Nacht, Benito«, erwiderte Porfirio. »Von deiner Sippe hat keiner etwas mit diesen Schmierereien zu tun, die wie durch Geisterhand an Wänden erscheinen und wieder verschwinden, oder?«
    »Natürlich nicht. Meine sogenannte Sippe ist nicht an allem schuld, was dir in diesem Land nicht passt. Schon gar nicht an den Ammenmärchen, an die du neuerdings glaubst.«
    »Gemach, gemach, ich bin ja selbst der Meinung, dass es Ammenmärchen sind. Aber um letzte Zweifel zu beseitigen, gibst du mir dein Wort darauf, nicht wahr?«
    »Von mir aus«, sagte Benito. »Wenn du das wirklich für nötig hältst, gebe ich dir mein Wort.«
    »Danke, mein Lieber. In einem irrst du übrigens. Ich will dich nicht mit den verdammten Indio-Slums in die Luft jagen. Was meinst du, warum ich dich noch hier behalte, statt dich endlich in deinen Urwald heimzuschicken?«
    »Weil du meinen Urwald gern ohne Gouverneur wissen möchtest. Und weil es dir Spaß macht, mir allabendlich eins auf den Pelz zu brennen«, erwiderte Benito.
    »Ja, das auch«, gestand Porfirio ein. »Ein Mann mit einem Gewissen zuckt wenigstens zusammen, wenn man ihn ordentlich zwiebelt – der Rest der Meute hat längst die Haut von Gürteltieren. Aber das ist nicht alles. Manchmal genieße ich es einfach, mit dir zusammenzusitzen. Es erinnert mich an den Krieg, an die Jahre, in denen wir jung waren und voll feurigem Glauben an das Gute in der Welt. Außerdem schaffst du es noch immer, mir zu imponieren, wo ich die anderen nur noch verachte.«
    »Und gerade deshalb würdest du mir gern den Hals umdrehen«, sagte Benito.
    »Nein«, entgegnete Porfirio. »Auch wenn du mir nicht glaubst, es täte mir weh, dir ein Leid zuzufügen. Sei aber gewiss, wenn du mich dazu zwingst, werde ich es ohne ein Wimpernzucken tun.«

6
    E in letztes Mal streichelte Katharina über den schmiegsamen Stoff, ehe sie den kleinen Rebozo unter anderen Kleidern verbarg und eilig den Koffer schloss. Er passte Josefa schon lange nicht mehr, und sie hatte ihn ohnehin nie viel getragen, aber Katharina wollte, dass sie ihn bei sich hatte. Der Rebozo in leuchtenden Orange- und Gelbtönen war das einzige Stück, das sie jemals gewebt hatte. Sonnenfarben, hatte sie damals gedacht und sich von ihrer Schwiegermutter am Webstuhl anleiten lassen, weil sie so gern etwas für ihr neugeborenes Kind tun wollte. Mit ihrer Schwiegermutter hatte sie es nie leicht gehabt, und die Schwiegermutter hatte Josefa nie mit derselben Wärme überschüttet wie Anavera und Vicente, aber in diesen Tagen, während sie gemeinsam den Rebozo webten, waren sie einander nah gewesen.
    Jetzt schmuggelte Katharina ihn der Tochter in den Koffer, weil sie wiederum so gern etwas für ihr Kind tun wollte und ihr sonst nichts blieb.
    Die Zimmertür wurde aufgeworfen, und ihr Sohn Vicente steckte den Kopf herein. »Bist du fertig, Mamita? Kann ich die Koffer nach unten tragen?«
    Er war so erwachsen geworden, ihr Jüngster. Und doch sah sie in dem Gesicht des jungen Mannes noch immer die rundlichen Züge ihres kleinen Jungen, der nachts zu ihnen ins Bett gekrochen war, weil Sternschnuppen fielen und er Angst hatte, am Himmel bliebe keiner seiner geliebten Sterne übrig. Spontan sprang sie auf und schlang die Arme um ihn. Gott sei Dank, dass mir dieses Kind, mein kleiner Sternengucker, noch bleibt, dachte sie und drückte ihn an sich, so fest sie konnte. »Ja, mein Liebling. Josefas Koffer sind fertig.«
    Sie gab ihn frei, und er rieb sich verwundert die Stirn. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
    Am liebsten hätte

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