Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)
an Versprechen?«
»Aber ich kann doch nicht immer Grün tragen«, widersprach Josefa verwirrt.
»Und warum nicht?«, fragte er. »Sie könnten die Königin der grünen Stunden werden. Aber Sie ziehen es vor, ein Mäuslein zu sein, das man sieht und wieder vergisst.«
Er ging mit ihr in ein Café hinter rosa gestrichenen Mauern, wurde von einem katzbuckelnden Kellner begrüßt und dezent an einen Tisch in einer Nische geführt. Ohne nach ihren Wünschen zu fragen, bestellte er ihr einen zerbrechlichen Teller mit ebenso zerbrechlichen Gebäckstücken, die er Petit Fours nannte, und einen süßen, sämigen Wein. Madeira, ließ er sie wissen. Für sich selbst wählte er lediglich einen blassen Fino Sherry, den er im Glas kreisen ließ, ohne ihn zu trinken. Ein Gespräch begann er nicht, sondern schien darauf zu warten, dass sie es tat.
»Wegen der grünen Stunde«, fing sie an, aber er hob die Hände.
»Nicht schon wieder, ich bitte Sie.«
»Ich langweile Sie, nicht wahr?«
»Ja«, erwiderte er. »Mich langweilen alle Menschen. Sie dreschen ihre immer gleichen, belanglosen Phrasen, fuchteln dabei auf immer gleiche, sinnlose Art mit Armen und Beinen und ergehen sich in haltlosen Stürmen verworrener Gefühle.«
»Es tut mir leid«, rief sie schnell, weil er klang, als würde er gequält.
»Da haben Sie’s.« Er zog die Lippen von den Zähnen und lächelte kein bisschen amüsiert.
»Aber ich will Sie nicht langweilen«, sagte Josefa. »Ich tue, was Sie wollen, um Sie zu unterhalten. Sie müssen mir nur sagen, was Ihnen gefällt, was Ihnen Spaß macht. Ich bin so unerfahren, ich kenne mich mit gar nichts aus.«
»Spielen«, sagte er und senkte den Blick in den Sherry. »Spielen macht mir Spaß. Manchmal.«
»Conquian?«, fragte Josefa. Auf El Manzanal hatten sie sich halbe Nächte lang Turniere im Conquian geliefert. Vicente war der Beste, aber Anavera schummelte und trug am Ende den Sieg davon.
Don Jaimes Lachen klang vollkommen freudlos. Ich möchte ihn einmal dazu bringen, aus vollem Halse zu lachen, dachte Josefa. So, dass seine schönen Augen dabei leuchten und der seltsame Schmerz verlischt.
»Wollen Sie mit mir spielen, Josefa Alvarez?«, fragte er. »Nicht um Nussschalen, sondern um einen Einsatz, der sich lohnt? Einen, der weh tut, wenn Sie ihn verlieren?«
Josefa nickte. Es gab nur einen Einsatz, den sie nicht verlieren wollte, und das war er selbst. Seine Gegenwart.
»Gehen Sie nach Hause«, sagte er. »Ziehen Sie etwas anderes an, etwas für den Abend, dem man die Provinz nicht meilenweit ansieht, und lassen Sie sich um Himmels willen die Haare richten. Im ersten Stock des Tivoli gibt es ein Kasino. Sie werden Geld brauchen, Josefa Alvarez. Viel Geld. Haben Sie welches?«
Wieder nickte Josefa. Wenn sie etwas im Überfluss besaß, dann war es Geld. Die Summe auf ihrem Konto war höher, als ihre Vorstellung fasste, und es war nur eine Zahl, es hatte keinen Wert gegen das andere – er würde den Abend mit ihr verbringen. Von neuem würde eine glasklare Sternennacht sie mit ihm einhüllen, und dieses Mal würde sie sich das Glas nicht zerschlagen lassen, sondern es mit aller Kraft beschützen. Ich bin verliebt, dachte sie. Wie konnte ein einziges Gefühl so stark sein, als hätte sie nie ein anderes gehabt? Dass er etwas für sie empfand, war im Grunde nicht möglich, und doch musste es so sein. Warum sonst wäre er mit einem Mädchen ausgegangen, das provinzielle Kleider trug, schlecht frisiert war und sprach wie eine dumme Gans?
»Und jetzt gehen wir«, sagte er und stand auf. »Dass Sie Ihre Petit Fours nicht gegessen haben, kann ich Ihnen nicht verdenken. Die Backkunst in diesem Land reicht über flaue Pfannenkuchen nicht hinaus.«
Daheim verbrachte Josefa eine verzweifelte halbe Stunde damit, ihre Haare vollends in ein Krähennest zu verwandeln. Wie erwartet, war Felice keine Hilfe, und in ihrer Not lief sie schließlich hinüber zu Martina. Statt des üblichen Lärms empfing sie eine seltsam gedrückte Stille. Josefa behauptete, George Temperley habe sie eingeladen, mit ein paar Leuten von der Bank auszugehen, und nun benötige sie einen Rat wegen ihrer Frisur. »Weißt du, dass schon deine Mutter diesen George Temperley als Ausrede benutzt hat?«, fragte Martina. »Nun, mich soll es nicht kratzen. Mein Friseur wird mir eine Szene machen, wenn ich ihn um diese Zeit holen lasse, aber wann machen Friseure keine Szenen?«
Der Friseur, ein langfingriger, nervöser Italiener, schuf ein
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