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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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einem Gefängnisinsassen zu beginnen. Die Frage war nur immer: Welches Defizit befriedigte eine Frau mit Helfersyndrom? Nora hätte sich früher energisch gegen die mit der Frage allzu deutlich ausgesprochene Unterstellung gewehrt. Inzwischen gestand sie sich längst ein, dass etwas Wahres daran war. Sie hatte sich einen Mann gesucht, der sie brauchte. Und von dem sie daher hoffen durfte, er werde sie nicht verlassen.
    Sie hatte Angst vor dem Alleinsein. Darin lag ihr großes Defizit.
    Sie hatte schon den Weg nach Hause einschlagen wollen, blieb jedoch stehen. Warum sollte sie nicht an einem so schönen, sonnigen Tag ein wenig durch die Stadt schlendern und dabei auch im Copyshop vorbeischauen? Vielleicht konnte Ryan gleich mitkommen. Sie würden irgendwo etwas trinken, und sie könnte ihm sagen, was sie sich überlegt hatte. Er brauchte Hilfe, und sie sah nur einen Weg.
    Sie saßen in einem Café, so abseits wie möglich in einer Ecke. Ryan hatte darauf bestanden. Nora wollte über Damon reden, und Ryan hatte Angst, dass irgendjemand etwas mitbekommen könnte. Sie bestellten jeder einen Kaffee, dazu eine Flasche Wasser. Ryan sah müde und angespannt aus.
    »Eines ist völlig klar«, sagte Nora. »Du musst das Geld zurückzahlen. Und dich von da an nie wieder auch nur in die Nähe dieses Damon oder eines ähnlichen Typen begeben. Du darfst keinen Fuß mehr in die kriminelle Welt setzen, Ryan. Sonst hört das nie auf!«
    Er starrte in seinen Kaffee. »Was hört nie auf?«
    »Dass eines zum anderen kommt«, sagte Nora. »Das meine ich.«
    Er nickte. Sie wusste ja gar nicht, wie recht sie hatte.
    »Okay«, sagte er, »das Geld zurückzahlen. Die Kleinigkeit von fünfzigtausend Pfund. Äh … du hast nicht auch schon zufällig eine Idee, woher ich die nehmen soll?«
    »Ich habe die ganzen letzten Tage praktisch über nichts anderes nachgedacht.« Das stimmte. Selbst ihren Patienten war aufgefallen, dass Nora völlig geistesabwesend ihre tägliche Arbeit verrichtete. »Und mir ist dabei klar geworden, dass wir nur eine einzige Möglichkeit haben.« Sie machte eine kurze Pause. Sie wusste, dass ihr Vorschlag Ryans Protest hervorrufen würde, und wollte daher von vornherein ihren Worten möglichst viel Gewicht verleihen. »Unsere einzige Möglichkeit sind deine Mutter und Bradley.«
    »Wie bitte? Wie sollen denn die uns helfen?«
    »Sie haben ein Haus, das ihnen gehört.«
    Ryan schüttelte den Kopf. »Das ist Bradleys Haus. Nicht das meiner Mutter. Glaubst du allen Ernstes, er wird eine Hypothek aufnehmen, um dem völlig verkommenen Sohn seiner Frau fünfzigtausend Pfund mal eben über den Tisch zu schieben?«
    »Es wird nicht leicht. Aber es ist die einzige Hoffnung, die wir haben.«
    »Vergiss es, Nora«, sagte Ryan. »Das macht er nicht. Und ich werde ihn nicht fragen und mir eine Abfuhr abholen!«
    »Tut mir leid, Ryan, aber deinen Stolz musst du für den Moment zur Seite schieben«, erklärte Nora. »Du kannst ihn dir nicht leisten. Wir haben beide keine fünfzigtausend Pfund, und du weißt genau, dass es nicht die geringste Chance gibt, einen solchen Betrag innerhalb der nächsten Wochen aufzutreiben. Es sei denn, wir überfallen eine Bank, aber das hielte ich, ehrlich gesagt, für den noch schlechteren Plan.«
    »Bradley wird mir nicht helfen. Er kann mich nicht ausstehen. In seinen Augen bin ich ein hoffnungsloses Individuum, mit dem er am liebsten so wenig wie möglich zu tun hat. Du musst das doch gemerkt haben, als wir dort waren!«
    »Ich habe aber auch gemerkt, dass er deine Mutter sehr liebt und dass sie sehr wichtig für ihn ist. Er wird es nicht dir zuliebe tun, Ryan. Aber vielleicht deiner Mutter zuliebe.«
    »Meine Mutter hat gerade etwas sehr Schlimmes erlebt. Glaubst du, es tut ihr besonders gut, wenn ich nun bei ihr aufkreuze und ihr erkläre, dass ich mich mit einem Gangsterboss eingelassen habe und auf dessen Abschussliste stehe, falls ich nicht sofort fünfzigtausend Pfund liefere? Sie denkt, dass in meinem Leben endlich alles in Ordnung ist, weil ich mit einer netten Frau zusammenlebe und einen Job habe. Ich will ihr diesen Glauben nicht nehmen.«
    »Dieser Damon ist aber ein Teil deiner Vergangenheit. Und dass die nicht astrein war, weiß sie doch sowieso«, sagte Nora.
    Nur um irgendetwas zu tun, schaufelte Ryan zwei Löffel Zucker in seinen Kaffee, obwohl er Kaffee mit Zucker überhaupt nicht mochte. Er spürte, dass er wütend auf Nora wurde, aber zugleich auch auf sich selbst, weil er genau

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