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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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wusste, dass sein Ärger ungerecht war. Nora hatte mit jedem Wort, das sie sagte, recht, und so unangenehm, ja, geradezu unerträglich der Weg war, den sie ihm aufzeigte, so deutlich verstand er doch, dass es keine Alternative gab. Er konnte kaum noch einmal eine Frau verschleppen, verstecken und ein Lösegeld zu erpressen versuchen. Und der einzige Mensch, den er persönlich auf der Welt kannte, der das Geld lockermachen konnte, war tatsächlich Bradley.
    »Ich muss mir das überlegen«, sagte er.
    »Ich komme mit nach Yorkshire, wenn du mit Bradley und Corinne sprichst«, bot Nora an.
    »Wir müssen dort hinfahren?«
    »Du kannst das nicht am Telefon abhandeln. Dann geht es garantiert schief!«
    Sie hatte vermutlich schon wieder recht.
    »Ich überlege es mir«, wiederholte er.
    »Ja, aber nicht zu lange. Ryan, du musst dieses Milieu verlassen. Das Milieu, das Typen wie dieser Damon verkörpern. Du sagst, er wird dich umbringen, wenn du nicht zahlst. Kann sein. Es kann aber auch sein, dass er dich von da an ständig benutzt. Er hat dich ja völlig in der Hand. Es kann passieren, dass du zum Laufburschen eines hochkriminellen Verbrechers wirst. Ryan«, sie sah ihn eindringlich und bittend an, »Ryan, du hast jetzt die Chance, ein neues Leben zu beginnen. Ein ehrliches und anständiges Leben. Und ich weiß, dass das die Art Leben ist, die zu dir passt. Das ist der echte Ryan. Nicht der Ganove. Sondern der Mann, der seiner Arbeit nachgeht und den Kopf hoch tragen kann, weil er sich nichts zuschulden kommen lässt. Lass dir das jetzt nicht kaputt machen!«
    Er trank einen Schluck Kaffee. Er schmeckte widerlich süß.
    »Woher willst du wissen, was zu mir passt?«, fragte er aggressiv. »Du kennst mich doch überhaupt nicht!«
    Sie zuckte ganz leicht zusammen. »Ich glaube, ein wenig kenne ich dich schon«, sagte sie tapfer.
    Er schob seine Tasse weg. Er würde dieses Gebräu nicht trinken. Er schaute hinaus in den sommerlichen Tag. Eine Gruppe lachender Jugendlicher schlenderte gerade vorbei, unbekümmert und sorglos. Sie beide hier drinnen waren wie ausgegrenzt von allem: von den fröhlichen Menschen. Von der Sonne, dem Licht. Vom Leben.
    Warum, zum Teufel, tat sich Nora das an? Er konnte das nicht nachvollziehen, und es verunsicherte ihn. Und setzte ihn unter Druck. Machte ihn unwillig und unwirsch. Und müde. Und schuldbewusst. Und Gott weiß was noch alles.
    Er wäre jetzt am liebsten aufgestanden und zu Debbie hinüber nach Swansea gefahren. Wozu er aber natürlich schon wieder Noras Auto hätte nehmen müssen. Er hätte Debbie gerne von seinen Sorgen erzählt, hätte sie um Rat und Hilfe gefragt. Aber er machte sich nichts vor: Debbie mochte es richtig schlecht gehen zurzeit, und sie mochte so angewiesen sein auf Freunde wie nie vorher in ihrem Leben, aber in der Frage, ob sie sich in irgendetwas Illegales hineinziehen ließe, würde sie die alte unbeirrbare, knallharte Debbie sein. Sie begab sich nicht einmal in die Nähe solcher Versuchungen. Sie würde ihn abblitzen lassen. Ich habe dich immer gewarnt, dich mit Typen wie diesem Damon einzulassen. Tut mir leid, ich kann dir nicht helfen. Sieh zu, wie du das Problem löst!
    Aber seltsamerweise kam er mit diesem Verhalten besser zurecht als mit dem, das Nora an den Tag legte. Vielleicht, weil er es verstand. Noras Engagement konnte er zutiefst nicht verstehen. Er erwartete, dass er dafür einen Preis würde zahlen müssen.
    Und das wollte er nicht. Das wollte er einfach nicht.
    So wenig, wie er vor Bradley, diesem hochnäsigen Erzspießer, zu Kreuze kriechen wollte. So wenig, wie er seiner Mutter erklären wollte, dass er schon wieder in der Bredouille steckte.
    So wenig, wie er von Damons Leuten ermordet werden wollte.
    Immer wieder und unendlich drehe ich mich im Kreis, dachte er.
    Er konnte Noras Hand auf seinem Arm spüren. »Lass uns nach Hause gehen, Ryan«, sagte sie. »Lass uns dort weitersprechen. Vielleicht nicht mehr heute Abend. Aber morgen, übermorgen. Wir haben nicht endlos Zeit!«
    Sie hatte recht.
    Er zog seinen Arm ruckartig weg, und ihre Hand platschte auf die Tischplatte. Er schaute sie nicht an, aber er wusste, dass sie jetzt wieder den Ausdruck eines verwundeten Rehs im Gesicht tragen würde. Er wollte das nicht sehen.
    Vielleicht regte sie ihn deshalb manchmal so auf: Sie hatte einfach immer recht.
    6
    Matthew wollte fort von Holy Island, so schnell er konnte. Ihm reichte es, und er war wütend. Ich wäre gern noch etwas geblieben, jetzt,

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