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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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allzu recht. Erleichtert stellte auch ich mein Glas ab und reichte Susan gewissermaßen in Vertretung aller anderen die Hand. »Auf Wiedersehen, Susan. Es hat mich ungeheuer gefreut, Sie alle kennenzulernen.«
    »Äh … uns auch«, erwiderte Susan perplex.
    Matthew nahm meinen Arm. »Nichts wie weg«, murmelte er, »sonst vergesse ich mich noch und haue dem Kerl eine rein!«
    Im Hinausgehen vernahmen wir noch einmal Bills Stimme. Er konnte einfach nicht darauf verzichten, das letzte Wort zu haben.
    »Ich an Ihrer Stelle wäre nervös, Jenna!«, tönte er. »Richtig nervös! Was machen Sie, wenn Vanessa wieder auftaucht? Haben Sie da schon einen Plan? Was machen Sie dann?«
    Ich antwortete nicht, sondern trat gefolgt von Matthew hinaus in die Sonne. Dankbar begriff ich, dass ich es überstanden hatte, dass sie alle hinter mir zurückblieben: Vanessas Verwandte und Bekannte und mit ihnen die giftige Mischung aus Sensationslust, Heuchelei, Verachtung und Neid, die mich stundenlang umgeben hatte.
    Eines aber blieb: der Satz, den Bill zuletzt gesagt hatte. Der Ausspruch eines betrunkenen Idioten, aber ich wurde ihn trotzdem nicht los, sosehr ich mich bemühte, nicht daran zu denken.
    Er dröhnte in meinen Ohren.
    Was machen Sie, wenn Vanessa wieder auftaucht?
    Was machen Sie dann?
    5
    »Hast du nicht Lust, uns zu besuchen?«, fragte Vivian. »Morgen Abend? Das Wetter ist herrlich. Wir könnten bei uns im Garten grillen.«
    Uns. Vivian lebte mal wieder in einer festen Beziehung, der Neue war sogar schon bei ihr eingezogen. Adrian hieß der Traummann, und es war deutlich, dass Vivian darauf brannte, ihn vorzustellen. Bestimmt sah er gut aus, war erfolgreich und seriös. Und hatte mit Sicherheiteine solidere Biographie vorzuweisen als Ryan.
    Nora, die gerade ihre Tasche im Umkleideraum zusammenpackte, seufzte unterdrückt. Seit jener missglückten Party gab sich Vivian alle Mühe, aber es funktionierte einfach nicht mehr zwischen ihnen. Es war nicht so, dass Nora ihr nicht hätte verzeihen können: Vivian hatte sich hundertmal entschuldigt und zugegeben, dass sie unberechenbar und unausstehlich war, wenn sie Alkohol trank, und eigentlich hätte es damit gut sein können. Nora war nie ein nachtragender Mensch gewesen. Aber diesmal konnte sie einfach nicht so tun, als sei nichts gewesen, vielleicht wollte sie es nicht einmal. Weil Vivian allzu zielgenau ins Schwarze getroffen hatte? Oder lagen die Dinge noch einfacher – oder komplizierter, wie man es nahm: Sich mit Vivian wirklich auszusöhnen hätte bedeutet, in die Normalität einzusteigen, die es vor jenem Vorkommnis zwischen ihnen gegeben hatte, und Nora war nicht sicher, ob Normalität das war, was sie im Augenblick hinbekommen würde. Mit einem Mann wie Ryan an ihrer Seite. Würde das alles nicht nur in eine ständige, sich steigernde Anstrengung münden? So zu tun, als sei alles in Ordnung, wenn in Wahrheit nichts in Ordnung war. Gar nichts.
    »Deinen Ryan bringst du natürlich mit«, fügte Vivian hinzu. »Das ist doch klar.«
    Eben nicht. Das war überhaupt nicht klar. Nora hatte keine Ahnung von Ryans Wochenendplänen, aber das würde sie natürlich niemandem gegenüber zugeben. Weil sie damit auch die peinliche Tatsache hätte einräumen müssen, dass es eben keine gemeinsamen Pläne gab so wie bei anderen Paaren. Nach außen hin hatte sie das Bild des echten Zusammenlebens errichtet. Ryan galt als ihr Freund, eigentlich sogar schon als ihr Lebensgefährte. Die Wahrheit sah völlig anders aus, da Ryan sie als gute Bekannte empfand und als einen Menschen, der ihm nach seinem Gefängnisaufenthalt in der schwierigen Phase der Wiedereingliederung in den normalen Alltag zur Seite stand. Im Grunde hatte Nora das gewusst, hatte aber auf die Entwicklung der Dinge gehofft. Und nicht wirklich einkalkuliert, dass sich alles anders entwickeln mochte, als es ihr vorschwebte. Gerade in den letzten Wochen schien es, als bewege sich Ryan eher von ihr fort als zu ihr hin. Er war viel unterwegs, meist zog es ihn nach Swansea hinüber, wo er seine alte Freundin Debbie besuchte. Nora wusste, dass es Debbie schlecht ging, und irgendwie verstand sie, dass Ryan glaubte, sich um sie kümmern zu müssen, aber sie litt Qualen, wenn er bei ihr war, und musste alle Kraft, die sie hatte, aufbieten, um ihn später nicht mit Tränen und Vorwürfen daheim zu empfangen. Hundertmal sagte sie sich, dass die beiden zwar vor langer Zeit ein Paar gewesen waren, sich aber schließlich getrennt hatten,

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