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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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gerade.
    »Wir müssen in das Tal des Fuchses fahren«, sagte er mit einer Stimme, die klang, als wäre es nicht seine.
    Nora sah ihn verwirrt an.
    »Das Tal des Fuchses? Was ist das? Wo ist das?«
    Er konnte nicht mehr. Nicht mehr reden, nicht mehr denken. Er konnte sich nicht mehr aufrecht halten. Er war am Ende.
    Er kippte nach vorn, sein Kopf krachte auf den Tisch. Heißer Kaffee spritzte auf seine Haut, er hörte, wie eine Tasse klirrend auf dem Fußboden zerbrach. Er wünschte, er würde das Bewusstsein verlieren, es würde ihm gelingen, alldem wenigstens f ür einige Momente zu entfliehen. Panik, es war schiere Panik, die ihn umklammert hielt.
    Eine Hand schob sich unter seine Stirn. »Ryan, was ist los? Bitte, sag mir doch, was passiert ist.«
    Er drehte den Kopf. Er blickte in Noras Augen. Nora kniete neben ihm, ihr Gesicht war direkt vor seinem. Sie schien sehr besorgt, aber daneben strahlte sie Sanftheit und Ruhe aus. Sie hatte jeden Tag mit Patienten zu tun, oft genug mit völlig verzweifelten Menschen, die unter Schmerzen litten oder ihren Körper nicht mehr normal bewegen konnten. Sie geriet nicht aus der Fassung, wenn jemand in ihrer Gegenwart psychisch zusammenbrach.
    »Erzähl es mir«, sagte sie. »Erzähl mir doch einfach, was los ist.«
    Sein Kopf lag noch immer auf dem Tisch, mitten in einer Lache aus Kaffee. Die Tränen liefen ihm über das Gesicht, aber das merkte er erst später, weil seine Haut sowieso nass war vom Kaffee.
    Er begann zu sprechen.
    12
    »Garrett Wilder ist verschwunden. Nicht einmal seine Arbeitskollegen wissen, wo er sein könnte!« Inspector Morgan stand vor meinem Schreibtisch in der Redaktion von Healthcare und sah mich fast anklagend, zumindest ziemlich vorwurfsvoll an. Als sei ich verantwortlich für diesen Mann, von dem ich nunmehr schon ein Dreivierteljahr lang getrennt lebte. »Haben Sie eine Idee, wo er sich aufhalten könnte?«
    Inspector Morgan und einer ihrer Kollegen, Detective Sergeant Jenkins, waren schon am Vortag in der Redaktion gewesen und hatten mit den Mitarbeitern von Healthcare gesprochen. Ich vermutete, dass sie dabei kaum etwas herausgefunden hatten, was sie weiterbrachte. Untereinander kannten wir alle kein anderes Thema mehr, aber für mich hatte sich dabei herausgestellt, dass niemand wirklich etwas über Alexia wusste. Jeder konnte bestätigen, dass sie in den letzten Wochen unter größtem Stress gestanden hatte, nervös, gereizt und ziemlich durch den Wind gewesen war, aber das war es eigentlich auch schon, was man über sie in Erfahrung bringen konnte. Von der geplanten Reportage hatten alle gewusst, aber die meisten hatten keine Ahnung gehabt, dass ich es war, die auf Motivsuche hätte gehen sollen, und dass dies für das vergangene Wochenende vorgesehen gewesen war. Alle waren aufgeregt und verstört, aber niemand konnte etwas zur Klärung dieses mysteriösen Vorkommnisses beitragen. Die stellvertretende Chefredakteurin, die wusste, dass sie nun auf unabsehbare Zeit in die Schusslinie von Ronald Argilan geraten würde, flatterte nur noch wie ein kopfloses Huhn durch die Gänge. Sie war tatsächlich mit der Aufgabe überfordert, die unvermittelt über sie hereingebrochen war.
    Und jetzt tauchte die Polizistin an diesem Dienstagmorgen schon wieder auf und wollte wissen, wo Garrett war.
    »Nein, ich habe keine Ahnung«, erwiderte ich auf Morgans Frage. »Vielleicht macht er Urlaub?«
    »Hätte er sich dann nicht an seinem Arbeitsplatz abgemeldet?«, fragte Morgan zurück.
    Garrett arbeitete zurzeit, genauer: seit etwa zwei Jahren, für eine Eventagentur. Genau wie ich hatte er nicht wirklich etwas gelernt, sagte aber von sich selbst, dass er ein hochkreativer Mensch sei, den es dazu dränge, seine vielen Gedanken, Bilder und Einfälle praktisch umzusetzen. Er hatte schon als Werbetexter, als Fotograf, als Designer sein Geld verdient, und da er ein Auftreten besaß, das Menschen in seinen Bann zog, dauerte es immer eine ganze Weile, bis sein Umfeld bemerkte, dass er im Wesentlichen heiße Luft und sonst nichts absonderte. Er hatte ein feines Gespür für Stimmungen, und so verließ er eine Arbeitsstelle immer dann, wenn er witterte, dass man ihn demnächst dazu auffordern würde. Natürlich redete er sich das ebenfalls schön.
    »Gleichmaß ist tödlich für jede Kreativität. Veränderung, Wechsel, immer neue Herausforderungen, das ist es, was ein Künstler braucht. Merk dir, Jenna, bleib nie zu lange an einem Ort. Bleib nie zu lange in einem

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