Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
bezüglich der Reise nach Yorkshire gelangt war. Er würde nein sagen, und sie würde beginnen, auf ihn einzureden.
Wie in den letzten Tagen.
Er blätterte in der Zeitung. Nicht dass ihn irgendetwas von dem, was darin stand, interessierte, er hatte derart große Probleme, dass er für das, was im Land und in der Welt passierte, keinen Sinn mehr hatte, aber vielleicht lenkten ihn die Fotos und der ganze Mist, der drum herum geschrieben stand, ein wenig ab. In London hatte eine große Party stattgefunden, zu der jede Menge High-Society-Größen erschienen waren, es gab ein paar Bilder von Frauen in mondänen Abendkleidern und Männern in dunklen Anzügen. Er betrachtete den Schmuck, den die Damen an Hals, Ohren und Armen trugen. Wahrscheinlich hätte ihm ein einziges solches Armband, ein Ring, eine Kette aus der Patsche geholfen. Die Frauen stellten ihre Juwelen mit einer Lässigkeit zur Schau, als käme ihnen nicht eine Sekunde lang in den Sinn, dass der Anblick dieser Bilder in anderen Menschen schieren Hass erzeugen konnte. Wie sollten sie ahnen, dass das Leben eines Mannes von fünfzigtausend Pfund abhängen könnte?
Eine andere Welt, dachte er, eigentlich bewegen wir uns gar nicht auf demselben Planeten.
Er blätterte die letzte Seite um.
Und erstarrte.
Vanessa Willard schaute ihn an.
Er verschüttete etwas Kaffee, während er mit zitternder Hand die Tasse absetzte. Das musste ein Irrtum sein. Das war nie im Leben Vanessa. Vermutlich nur eine Frau, die ihr auf erschreckende Weise ähnlich sah.
Er wagte kaum die Bildunterschrift zu lesen: Seit August 2009 spurlos verschwunden: Dr. Vanessa Willard, Universitätsdozentin aus Swansea.
Sie war es. Er hatte sich nicht getäuscht. Und im Grunde war ihm das auch klar gewesen. Denn wenn sich etwas unauslöschlich in sein Gehirn eingebrannt hatte, dann das Gesicht der Frau, die er …
Er presste beide Hände gegen seine Augen. Nicht zu Ende denken!
Es dauerte eine Weile, bis er die Hände wieder wegnahm. Es half nichts, er musste wissen, worum es in diesem Artikel ging. Wieso, verdammt, setzten die fast drei Jahre nach ihrem Verschwinden Vanessa wieder in die Zeitung?
Er las die Überschrift: Doch ein Verbrechen? Ein mysteriöser Fall scheint sich zu wiederholen.
Jetzt sah er das zweite Bild auf der Seite. Es zeigte ebenfalls eine Frau, auch blond, ungefähr Vanessas Alter. Darunter stand: Vermisst seit dem vergangenen Samstag: Alexia Reece, 35, Journalistin aus Swansea.
Mit steigender Verzweiflung überflog er den Text, der Alexia Reece’ rätselhaftes Verschwinden beschrieb. Dann wurde der Fall Vanessa Willard noch einmal ausgebreitet, das mysteriöse Verschwinden einer Frau, von der bis zu diesem Tag jede Spur fehlte. Und um die ganze Sache vollends undurchdringlich zu gestalten, hatte sich nun auch noch herausgestellt, dass Vanessa Willard und Alexia Reece einander gut kannten und befreundet gewesen waren. Offensichtlich schien beide Frauen dasselbe Schicksal ereilt zu haben, aber es gab nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, wie dieses Schicksal aussehen könnte. Die Polizei tappte völlig im Dunkeln und bat dringend um Hilfe in der Bevölkerung. Hatte jemand Alexia Reece am Samstag, dem 26. Mai in der Gegend von Fishguard gesehen? War jemandem ihr abgestelltes Fahrzeug im Pembrokeshire Coast National Park aufgefallen? Hatte jemand etwas Verdächtiges in der Nähe des betreffenden Parkplatzes beobachtet? Es wurde eine Telefonnummer genannt, unter der man anrufen konnte, wenn man glaubte, einen Hinweis geben zu können.
Vier Kinder warten sehnsüchtig auf ihre Mummie. Mit diesem pathetischen Satz endete der Artikel.
Ryan starrte auf das Blatt. Ihm war speiübel.
Das war kein Zufall. Das sah ja auch die Polizei ganz offensichtlich so. Hier hatte jemand ganz gezielt eine Szenerie nachgestellt. Die Polizei vermutete, dass derjenige, der für Vanessa Willards Verschwinden verantwortlich war, auch mit Alexia Reece zu tun hatte, konnte aber natürlich auch einen Trittbrettfahrer nicht ausschließen. Alle Details des damaligen Falls waren wochenlang in verschiedenen Zeitungen zu lesen gewesen und konnten im Internet noch immer abgerufen werden. Insofern wäre der Fall Willard für jedermann leicht nachzustellen gewesen.
Ryan wusste eines: Der Täter von damals war nicht der Täter von heute. Aber er war überzeugt, dass es um den Täter von damals ging, nämlich um ihn. Nach allem, was sich sonst in seinem Umfeld ereignet hatte, was Debbie und seiner
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