Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
Job!«
Anfangs hatte er mich mit derlei Statements tief beeindrucken können. Zum Glück wurden selbst Menschen wie ich irgendwann reifer und schlauer. Heute lächelte ich nur noch müde, wenn ich an all seine vielen Weisheiten und Theorien und vor allem an sein geradezu gnadenloses Selbstbewusstsein dachte.
»Vielleicht hat er gar nicht vor, an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren«, antwortete ich auf Morgans Frage. »Er ist jetzt seit zwei Jahren bei dieser Agentur. Für ihn eine lange Zeit. Es könnte durchaus sein, dass er seine Zelte dort abgebrochen hat.«
»Dann hätte er gekündigt.«
»Nicht unbedingt. Er gefällt sich manchmal darin, ausgesprochen unkonventionell aufzutreten. Er sieht sich als Künstler, für den so banale Formalitäten wie beispielsweise eine Kündigung keine Bedeutung haben.«
»Die Kollegen in Brighton haben gestern mehrfach versucht, ihn in seiner Wohnung anzutreffen, aber dort war er nicht. Die Mieter im Haus haben ihn seit vergangenen Donnerstag nicht mehr gesehen.«
»Ich weiß wirklich nicht, wo er stecken könnte, Inspector.«
Morgan zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Ich hatte völlig versäumt, ihr einen Platz anzubieten. Sie sah entnervt aus, und dauernd fielen ihr die Haare in die Augen. Ich hatte ein paar Haarspangen in meiner Schreibtischschublade und ertappte mich bei dem Gedanken, dass ich ihr gern eine davon angeboten hätte. Natürlich tat ich es nicht.
»Was für eine Art Mensch ist Garrett Wilder? Wie lange waren Sie mit ihm zusammen?«
Ich seufzte, absichtlich laut und deutlich. Sie sollte registrieren, dass ich die Spur, die sie zu verfolgen gedachte, abwegig fand. Hätte ich bloß Garrett gar nicht erst erwähnt! Inspector Morgan verschwendete jetzt jede Menge Zeit mit ihm, und sie würde dabei keinen Schritt in ihren Bemühungen, Alexia zu finden, vorankommen.
»Ich war acht Jahre lang mit ihm zusammen. Ich lernte ihn kennen, als ich vierundzwanzig war. Mit zweiunddreißig trennte ich mich von ihm.«
»Sie verließen ihn, wie Sie sagten. Es war also nicht direkt eine einvernehmliche Trennung?«
»Nein, aber wir gerieten auch nicht in Streit. Es stimmte schon lange nicht mehr zwischen uns. Als ich ihm sagte, dass ich gehen würde, nahm er das ziemlich gleichmütig auf.«
Geradezu verletzend gleichmütig, hätte ich ehrlicherweise sagen müssen. Aber das ging Inspector Morgan eigentlich nichts an.
»Mitarbeiter von ihm haben auf die Fragen der Polizei geantwortet, er sei ein äußerst undurchsichtiger Mensch. Kaum zu durchschauen. Jemand, von dem man nie wüsste, was hinter seiner Fassade eigentlich vorgeht. Er könne zudem sehr aggressiv und verletzend auftreten, besonders dann, wenn eigentlich kein Grund vorliege und niemand ihn seinerseits angegriffen hätte. Würden Sie das auch so sehen?«
»Ja. Das beschreibt ihn ziemlich deutlich.« Noch deutlicher wäre gewesen: Er kann manchmal ein aufgeblasener, unerträglicher Idiot sein!
»Könnte es sein, dass die Gleichmütigkeit, mit der er auf die Trennung reagierte, nur vorgetäuscht war? Nach immerhin acht Jahren Zusammensein ist Gleichmut in einer solchen Situation eher ungewöhnlich, finden Sie nicht?«
»Nicht bei Garrett. Er ist sehr von sich überzeugt. Er ist mit Sicherheit sowieso davon ausgegangen, dass ich zurückkommen würde. Ich glaube nicht, dass er sich ernsthaft vorstellen kann, dass ihn eine Frau verlässt. Er kommt schließlich gleich nach dem lieben Gott. Oder vielleicht sogar noch vor ihm.«
Zu spät merkte ich, dass ich einen Fehler gemacht und Morgans Theorie, was Garrett betraf, in die Hände gespielt hatte. »Wenn er die ganze Zeit über glaubte, dass Sie zurückkommen würden, muss es ihn ja erschüttert haben, als er von Ihrer Beziehung zu Matthew Willard erfuhr. Wann genau haben Sie ihm davon erzählt?«
Ich musste nicht lange überlegen. Das war wenige Tage vor Laurens Beerdigung gewesen.
»Montag letzter Woche«, sagte ich. »Er rief mich an. Das war das letzte Mal, dass wir telefonierten.«
»Rief er Sie öfter an?«
»Zwei- oder dreimal in der ganzen Zeit.«
»Haben Sie ihm in demselben Gespräch auch von Dr. Willard und ihrem Verschwinden erzählt?«
»Ja.«
»Und von Ihrer geplanten Recherche in den Gebieten des Pembrokeshire Coast National Park?«
»Ja.«
»Davon, dass Sie Alexia Reece’ Auto ausleihen würden?«
»Ja, aber …« Ich sprach nicht weiter. Das klang alles so schief. So als sei Garrett noch immer jemand, dem ich detailliert über
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