Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
dankbar, wenn Sie dafür sorgten, dass alle Mitarbeiter dann anwesend sind.«
»Ich kümmere mich darum«, versprach ich, und im selben Augenblick fiel mir ein, wer noch von meinem Ausflug in den Coast Park wusste. Und wer zudem über Matthew und über das Verschwinden von Vanessa detailliert unterrichtet gewesen war.
»Garrett«, sagte ich, »Garrett Wilder. Mein Exfreund!«
Alle starrten mich fragend an.
»Ihm habe ich auch davon erzählt. Von der geplanten Recherche im Park und dass ich mir dafür das Auto der Familie Reece ausleihen würde.« Ich entsann mich des langen Gesprächs. Garrett hatte sich von seiner Schokoladenseite gezeigt: interessiert an mir und meinem Leben, an meinem Vorhaben. Engagiert und bereit, mir endlos zuzuhören.
Aber warum hatte ich das jetzt eigentlich gesagt? Im selben Moment, da ich den Satz zu Ende gesprochen hatte, hätte ich ihn am liebsten ungeschehen gemacht. Ich bereitete Garrett wahrscheinlich Schwierigkeiten – und zwar völlig überflüssigerweise. Denn dass er etwas mit Alexias Verschwinden zu tun hatte, war ein vollkommen absurder Gedanke.
»Wo lebt Ihr Exfreund?«, fragte Morgan.
»In Brighton. Aber, Inspector, ich habe das nur erwähnt, um eine vollständige Aussage zu machen. Nie im Leben hat Garrett etwas mit der ganzen Sache zu tun.«
»Seit wann sind Sie getrennt?«
»Seit September letzten Jahres.«
»Und von wem ging die Trennung aus?«
»Von mir.« Mir war mulmig zumute. Morgan stellte zu viele Fragen. Ich wollte nicht, dass sie sich in Garrett verbiss.
»Weshalb?«
»Hören Sie, Inspector, es ist wirklich nur …«
Sie unterbrach mich. »Weiß Ihr Exfreund, dass Sie eine neue Beziehung haben?«
Was das anging, musste ich kurz nachdenken. Bis Freitag hatte ich eigentlich selbst nicht gewusst, ob ich eine neue Beziehung hatte oder nicht. Aber, ja, ich hatte Garrett von Matthew berichtet. Und Garrett hatte mit leiser Eifersucht reagiert. Er wollte zu meinem Geburtstag kommen. Ich war Garrett ein halbes Jahr lang vollkommen egal gewesen, aber plötzlich hatte er sehr bemüht gewirkt. Vielleicht wollte er mich nicht endgültig verlieren, noch dazu an einen anderen Mann.
»Er weiß es«, sagte ich wahrheitsgemäß. Garrett hatte es definitiv schon vor mir gewusst.
»Hat er aggressiv auf die Nachricht reagiert?«, fragte Morgan.
»Nein.« Aber das wusste man nicht. Man wusste nie, wie es in Garretts Innerem aussah. Er war ja stets obercool. Bedeutete die Tatsache, dass ich Garretts Eifersucht trotzdem gespürt hatte, dass Wut und Hass in Wahrheit in ihm geradezu brodelten? Es war ihm nicht gelungen, komplett ungerührt zu bleiben. Hieß das, hier hatte ein Kessel kurz vor seiner Explosion gestanden?
Es gelang mir offenbar nicht, meine Unsicherheit vor der Polizistin zu verbergen. Inspector Morgan schlug ihr Notizbuch noch einmal auf.
»Ich möchte bitte Adresse und Telefonnummer von Mr. Wilder«, sagte sie.
11
Dienstag, der neunundzwanzigste Mai. Es kam Ryan vor, als ticke eine Uhr. Oder vielleicht eher eine Zeitbombe. Minuten, Stunden, Tage. Selten zuvor hatte er die Zeit als etwas empfunden, das ihm geradezu davonraste. Im Gefängnis war sie geschlichen, und ansonsten hatte er sie nie wirklich bewusst wahrgenommen. Die Zeit verging eben, und wie man wusste, tat sie das stets in exakt derselben Geschwindigkeit.
Jetzt jedoch galoppierte sie. Der Mai war schon fast zu Ende. Dann blieb nur noch der Juni. Nora drängte darauf, am kommenden Wochenende nach Yorkshire zu fahren und mit Bradley und Corinne zu sprechen. Ryan wurde übel, wann immer sie davon sprach. Er wusste nicht genau, ob das daran lag, dass er den Gesichtsverlust fürchtete, den er hinnehmen musste, wenn er den verhassten Bradley um Geld bat. Oder das Ganze war noch eine Ecke komplizierter: Vielleicht hegte er eine tiefe, furchtbare Angst vor dem Moment, in dem sein Stiefvater seine Bitte um Hilfe unverblümt und unverrückbar ablehnen würde. Im Moment bestand noch ein winziger Funken Hoffnung, danach gab es dann keinen mehr. Deswegen gar nicht erst zu fragen war keineswegs logisch. Aber Ryans Leben wurde im Augenblick vorwiegend von Panik bestimmt, nicht von Logik.
Er saß am Frühstückstisch, trank seinen Kaffee, ließ das Brot aber unberührt im Toaster stecken. Wenn er morgens aufwachte, dachte er als Erstes an Damon, und das verhagelte ihm schon den Appetit. Nur noch ein paar Minuten, dann würde Nora ihm gegenüber Platz nehmen und ihn fragen, ob er zu einer Entscheidung
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