Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
besetzt ist und ich arbeitslos bin?«
»Dann findest du etwas anderes!«
»Und wenn nicht?«
Das Problem war natürlich ein anderes, das Problem war London. Vanessa arbeitete als Dozentin für Literatur an der Universität Swansea. Sie sah nicht ein, dass sie ihre Stelle, ihre Studenten, ihr gesamtes Umfeld aufgeben und ihrem Mann nach London folgen sollte, nur weil dieser einer Kündigung zuvorkommen wollte, die bislang ausschließlich in seiner Phantasie existierte.
»Du verhältst dich wie ein Pascha aus dem vorletzten Jahrhundert«, sagte sie wütend. »Du bestimmst, und ich gehe brav mit dir, wo immer du hinmöchtest. Aber so funktionieren Partnerschaften heutzutage nicht mehr. Ich gehe nicht nach London, Matthew. Und wenn du dich auf den Kopf stellst!«
Er seufzte.
»Nach fünfzehn Jahren Swansea«, sagte er, »wäre da eine Veränderung so schlecht?«
»Nein. Aber nicht ausgerechnet jetzt. Und nicht nur, weil es dir gerade in den Kram passt!«
Max, der große, langhaarige Schäferhund, der auf dem Rücksitz lag, hob den Kopf und winselte. Matthew warf einen Blick in den Rückspiegel. »Ich fürchte, Max muss raus. Bis wir daheim sind, hält er nicht durch.«
Vanessa erwiderte nichts. Sie presste die Lippen so fest aufeinander, dass sie zu einem weißen Strich wurden. Kurz entschlossen bog Matthew bei der nächsten Gelegenheit von der Hauptstraße ab und folgte der Landstraße, die sie wieder zum Coast Park hinführte. Der Abend brach herein, die Sonne stand schon tief. Ein warmer, klarer, wunderbarer Augustabend. Rotgoldenes Licht lag über den Feldern ringsum. Sie bemerkten einen einsamen Wanderer, der gerade über ein Weidengatter kletterte, aber ansonsten war keine Menschenseele zu sehen. Der Nationalpark, der sich über viele Meilen direkt am Meer entlangzog, sich aber auch tief ins Landesinnere erstreckte, war ein Touristenmagnet. Im Sommer waren hier ständig Menschen unterwegs, zu Fuß, zu Pferd oder auf dem Mountainbike, dies jedoch vor allem in der Gegend direkt an der Küste . Abseits vom Meer hingegen konnte man stundenlang wandern, manchmal ohne einem anderen Menschen zu begegnen.
Sie kamen an einem kleinen Parkplatz vorbei, der ein Stück unterhalb der Straße lag und einen schönen Ausblick über die Landschaft bot. Es gab einen Picknicktisch mit zwei Bänken und einen Abfallkorb aus Metall. Der Abfallkorb war völlig leer, offenbar kamen selten Menschen hierher.
Matthew hielt an. »Komm«, sagte er, »lass uns ein Stück mit Max laufen. Das wird uns guttun.«
Vanessa schüttelte den Kopf. »Geh du allein. Ich brauche ein bisschen Abstand. Ich möchte nachdenken. Ich warte hier.«
»Sicher?«
»Ja. Sicher.«
Sie stiegen aus. Warme Luft schlug ihnen entgegen. Die Klimaanlage im Wagen hatten sie auf zwanzig Grad gestellt, draußen mussten es noch an die vierundzwanzig Grad sein. Es gab keine einzige Wolke am lichtblauen Himmel. Es war einer jener Sommertage, von denen man den ganzen Winter über träumen konnte.
Weißt du noch, dieser herrliche Augustsonntag? Dieser einsame Rastplatz am Ende der Welt … Nichts als Ruhe und Wärme …
Nein, so würden sie nicht sprechen, dachte Vanessa. Jenen Sonntag würden sie wohl stets nur mit ihrem Streit in Verbindung bringen. Wie auch immer sich die Dinge am Ende entschieden, sie würden sich an eine lange Fahrt von Holyhead hinunter nach Swansea erinnern und daran, dass sie die meiste Zeit über debattiert hatten. Und dass Matthew schließlich allein eine Runde mit Max gedreht hatte, während sie, Vanessa, am Auto blieb, weil sie so zornig auf ihn war, dass sie nicht mitgehen mochte.
Es gab einen Trampelpfad, der zunächst ein kleines Stück in ein Tal hinunterführte, dann jedoch einen scharfen Bogen nach links um den Hügel herum schlug und von dort an vom Parkplatz aus nicht mehr zu sehen war. Vanessa blickte Matthew und Max nach, wie sie um die Ecke verschwanden; Max, der sich noch ein paar Mal unruhig nach seinem Frauchen umgesehen hatte, schließlich in großen Sprüngen vorneweg, Matthew langsamer hinterher. An Matthews sehr geraden Schultern konnte sie ablesen, wie verärgert auch er noch war. Klar, er fühlte sich unverstanden. Brachte aber selbst keinerlei Verständnis auf. Wahrscheinlich würde er nun ziemlich lange mit dem Hund unterwegs sein. Matthew brauchte immer Bewegung, wenn er Stress hatte, meistens kam er dann aber viel gelöster und ausgeglichener zurück.
Sie schlenderte langsam vom Auto zu dem Picknicktisch
Weitere Kostenlose Bücher