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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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ersten Schneefelder, die –
    »Mist!«
    Unbemerkt, in rasendem Tempo, hatten sich in seinem Rücken dunkelgraue, unheilverheißende Wolken über den nächsten Gipfeln zusammengeballt und rollten unaufhaltsam auf den See zu.
    Kaum eine Viertelstunde später brach der Sturm los, ein entfesseltes Ungeheuer, vor dem sie sich im letzten Moment in eine primitive Schutzhütte flüchteten. Zusammengekauert unter ihren Bhakhus, lauschten sie noch lange dem Wüten der Elemente, bis einer nach dem anderen einschlief.
    Der nächste Morgen begrüßte ihre kleine Gruppe mit lockerer Bewölkung und einer geschlossenen Schneedecke, die beinahe bis ins Tal reichte. Während des Frühstücks beratschlagten sie, was sie nun tun sollten. Der Schnee nötigte Achim Respekt ab. Er riet zur Umkehr, doch Sylvain wollte unbedingt noch höher steigen. Moon erinnerte sich an ein Dorf jenseits des Passes, das in einem kurzen Tagesmarsch zu erreichen war, und letztendlich wurde Achim von den beiden überstimmt. Trotz seiner Bedenken fügte er sich gern – zu verlockend war die Aussicht, seine Spuren in den unberührten, weißglitzernden Schnee zu stempeln.
    Nachdem sie ihre Sachen zusammengepackt und Sylvain von einem kurzen Spaziergang rund um den kleinen See zurückgekehrt war, brachen sie auf und schlugen eine nordöstliche Richtung ein.
    Anfangs war trotz des Schnees tatsächlich ein Weg zu erahnen, doch nach etwa einer Stunde wurde das Gelände schwieriger, und der Pfad verlor sich. Mit bangem Gefühl folgte Achim Moon und Sylvain und hoffte, dass den Nepalesen seine vermeintliche Ortskenntnis nicht trog. Nach einer weiteren Stunde zwang sie ein Erdrutsch, der in einer Breite von sicherlich hundert Metern alles mit sich in die Tiefe gerissen hatte, zum Innehalten. Der Abbruch war so steil, dass sich nur wenig Schnee darauf festgesetzt hatte, lediglich in etwa zwanzig Metern Tiefe hatte er sich auf mehrere Vorsprünge und Felsbalkone gelegt. Sylvain und Achim tauschten skeptische Blicke. Sollte dieser Weg tatsächlich zu dem angekündigten Dorf führen? Oder hatten sie sich verirrt? Moon allerdings ließ keine Zweifel aufkommen. Unbeirrt prüfte er das Gelände und fand dann einen Einstieg in die Halde. Sylvain und Achim folgten vorsichtig.
    Die hundert Meter dehnten sich ins Endlose. Bis zur Hälfte der Strecke war Achim bereits dreimal auf dem losen Geröll ausgerutscht und hatte sich schmerzhafte Prellungen zugefügt. Sylvain war es nicht besser ergangen, und auch Moon verlor hin und wieder den Halt. Ziemlich genau in der Mitte des Erdrutsches erreichten sie endlich einen vorspringenden Felsen, dessen einigermaßen ebene Oberseite genügend Platz für eine Pause und eine weitere Besprechung bot. Sie mussten dringend eine Entscheidung treffen. Achim für seinen Teil wollte nur noch umkehren. Sobald er den Felsen erklettert hatte, ließ er sich erschöpft fallen. Die Luft war noch dünner als am Tag zuvor, und jeder Schritt verlangte ihm das Äußerste ab. Nur langsam drangen die streitenden Stimmen seiner Begleiter in sein Bewusstsein vor. Wild gestikulierend standen sie am hinteren Ende der Plattform.
    »Gib endlich zu, dass wir uns verlaufen haben«, forderte Sylvain. »Du warst hier noch nie.«
    »Warum sollte ich je hier gewesen sein? Hier ist doch nichts!«, brüllte Moon. »
Du
wolltest doch unbedingt weitergehen, obwohl ich abgeraten hatte.«
    »Du hast abgeraten? Das ist ja etwas ganz Neues. Warum hast du dann behauptet, es gäbe einen Pass und auf der anderen Seite ein Dorf?«
    Moon zuckte die Achseln. »Ich habe davon gehört. Als ich vor zehn Jahren das letzte Mal am See war, kamen Menschen über den Pass und erzählten von dem Dorf.«
    »Gehört, gehört«, höhnte Sylvain und schlug sich vor die Stirn. »Ich muss bescheuert gewesen sein, mich auf einen Führer zu verlassen, dessen einzige Ortskenntnis auf zehn Jahre alten Gerüchten beruht.«
    Obwohl Achim ihm im Stillen recht gab, wünschte er, Sylvain würde seine Worte bedächtiger wählen. Schon sah er, wie der durch seinen angeknacksten Stolz so leicht aus der Fassung zu bringende Moon in ohnmächtiger Wut die Fäuste ballte. Seinetwegen sollten sie sich prügeln, aber nicht hier.
    »Reißt euch zusammen«, begann er, aber sein Beschwichtigungsversuch kam zu spät.
    »Du bist ein dämlicher, nichtsnutziger Idiot«, sagte Sylvain und wandte sich ab. Im selben Moment sprang Moon vor und verpasste ihm einen Hieb gegen den Oberarm. Von der Wucht des Aufpralls geriet

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