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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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sich das Gangstergehabe der Träger nur einbildete, und auch für Achims schlechte Laune musste es eine harmlose Erklärung geben. Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, nicht mehr Herrin ihrer Entscheidungen zu sein. Sie hatte sich in dieser feindlichen Wildnis völlig in Achims Gewalt begeben, und der Gedanke behagte ihr ganz und gar nicht.
    Noch fünfzig Schritte, dachte Anna, dann werde ich darauf bestehen, anzuhalten. Noch vierzig, noch dreißig. Beim achtundzwanzigsten Schritt trat sie unglücklich auf einen Stein, rutschte ab und stürzte nach vorn. Ein heftiger Schmerz schnitt durch ihren Körper, als sie unsanft mit den Handflächen voran zu Boden fiel, dann knickten ihre Arme ein, und sie blieb einfach liegen. Sie konnte nicht mehr. Ihre Beine trugen sie keinen weiteren Meter, und das Pochen im Kopf war nicht mehr zu ignorieren.
    »Himmel, kannst du nicht aufpassen?«
    Anna drehte sich vorsichtig auf den Rücken, machte aber keine Anstalten, sich zu erheben. Achim hatte sich neben ihr aufgebaut und sah sie mit einem Ausdruck mühsam unterdrückter Wut an. Wut, die Anna sich nicht erklären konnte und die ihr Angst einjagte, aber auch ihren Widerspruch reizte.
    »Wie du siehst, kann ich es nicht. Ich war krank, wenn du dich erinnerst. Außerdem brummt mir der Schädel.«
    »Kopfschmerzen?«, fragte Achim alarmiert. Auch auf diese Reaktion konnte sich Anna keinen Reim machen.
    Sie nickte. »Ich muss schlafen. Sag den Trägern, sie sollen das Lager errichten.«
    Achim rieb sich das Kinn, dann befahl er ihr, sich nicht vom Fleck zu rühren, und hastete bergauf. Anna hörte ihn nach den Trägern rufen, dann nur noch ihren eigenen Atem. Sie schloss die Augen. Als sie sie wieder aufschlug, war die Dämmerung hereingebrochen. Wie lange mochte Achim fort sein? Dreißig Minuten, vierzig? Anna setzte sich auf und versuchte das graue Zwielicht zu durchdringen, etwas zu erlauschen, doch um sie herum herrschte absolute Stille.
    Ein Stein klackerte. Sie bemerkte eine Bewegung, etwas unterhalb am Hang. Nur ein Schatten, geschmeidig, gleitend, dann war er wieder fort. Adrenalin schoss durch ihren Körper, schärfte ihre Sinne. Sie beugte sich vor, versuchte, den Schatten erneut auszumachen. Nichts. Sie dachte an die Erzählung der Schweizer. Ein Schrei arbeitete sich ihre Kehle hinauf, als plötzlich Achim neben ihr auftauchte.
    Jetzt schrie sie wirklich.
    »Nun, nun«, sagte er beschwichtigend und hockte sich neben sie.
    Anna war so froh über sein Auftauchen, dass sie seine streichelnde Hand auf ihrer Wange zuließ. Alle Animositäten und Ängste des Tages waren plötzlich wie fortgeblasen. Sie hatte sich getäuscht. Achim sorgte sich um sie, war ihr Freund.
    Wie zur Bestätigung bat Achim um Entschuldigung. »Es tut mir leid«, flüsterte er. »Ich habe zu viele meiner Probleme mit in die Berge gebracht und gar nicht gemerkt, was für ein Kotzbrocken ich war. Ich habe völlig übersehen, wie schlecht es dir geht, und mich furchtbar benommen. Kannst du mir verzeihen?«, fragte er zerknirscht.
    Anna nickte. Achim musste die Bewegung ihres Kopfes mehr gespürt als gesehen haben. »Das erleichtert mich ungemein«, sagte er. Dann ließ er sie los, kramte in seiner Jackentasche und reichte Anna eine Wasserflasche und eine Tablette. »Hier, diese Tablette hilft hervorragend gegen Kopfschmerzen. Ab jetzt bekommst du jeden Morgen und jeden Abend eine. Wahrscheinlich hast du einen leichten Sonnenstich, das kommt in den Bergen oft vor.«
    Anna schluckte die Tablette. Achim nahm die Wasserflasche zurück und streckte ihr seine Hand entgegen. »Komm«, sagte er und half ihr hoch. »Die Männer bauen die Zelte schon auf, nur zehn Minuten von hier haben wir eine ebene Stelle gefunden. Soll ich dich tragen?«
    Anna lächelte. »Das ist lieb von dir, aber ich denke, ich werde es schaffen.« Die Welt war wieder in Ordnung. Ihre Vision behielt sie wohlweislich für sich. Achim brauchte nicht zu erfahren, dass sie sich vor Geistern fürchtete.
     
    Während sich Anna die Berge von Mustang hinaufquälte, kämpften Tara, Kim und der Sadhu mit anderen Problemen: Soldaten. Die Männer traten ihnen am Ortsausgang von Kagbeni entgegen und verwehrten ihnen den Zugang nach Mustang. Kim war einer Panik nahe. Seine Angst um Anna wuchs stündlich. Hatte er anfangs noch vermutet, der Alte, Tara und Achal würden übertreiben, so hatte ihn die Befreiungsaktion von Taras Schwester endgültig davon überzeugt, dass etwas Ungeheuerliches im Gange war.

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