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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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Blödsinn«, schnappte er zurück. »Als ob du eine Waschmaschine reparieren könntest.«
    »Dann hilf du doch Karsang, wenn du es besser kannst.« Anna erschrak über sich selbst. Andererseits war Achim auch nicht gerade die Freundlichkeit in Person – sie hatte seine Verstimmung schon gestern bemerkt. Er zeigte deutlich, dass ihm die durch Annas Durchfall erzwungene Verzögerung nicht passte.
    »Ich werde ganz sicher nicht hier im Dreck herumrutschen«, sagte er. Sein arroganter Unterton missfiel Anna gewaltig, aber sie hielt sich zurück. »Die Träger stehen bereit. Hol deine Sachen, wir müssen los.« Damit verließ er den Raum und knallte die Tür zu.
    Anna starrte ihm verblüfft nach. Was hatte sie ihm getan? Dann wandte sie sich an Karsang. »Ich muss weiter«, sagte sie. »Ich wünsche dir viel Glück.« Sie drückte der Nepalesin ein Bündel Rupienscheine in die Hand und flüchtete, bevor die nicht minder verblüffte Karsang ihr das Geld zurückgeben konnte, aus dem Waschraum und durch die Küche nach oben. Fünfzehn Minuten später trat sie mit gepacktem Rucksack auf die Gasse, wo Achim und die Träger bereits auf sie warteten.
    Als sie losmarschieren wollten, kam Karsang um die Hausecke und nahm Anna in den Arm. Aufgeregt flüsterte sie Anna etwas ins Ohr, aber ihr Englisch war so wirr und unzusammenhängend, dass Anna nicht verstand, was die Nepalesin von ihr wollte. Wahrscheinlich bedankt sie sich, dachte Anna. Sie löste sich aus der Umarmung und schob das junge Mädchen von sich. »Auf Wiedersehen, Karsang«, sagte sie auf Deutsch, dann gab Achim das Zeichen zum Aufbruch, und sie setzten sich in Bewegung. Bevor die Gasse einen Knick machte, drehte sich Anna noch einmal um. Karsang stand mit hängenden Schultern vor dem Haus. Anna winkte ihr ein letztes Mal zu und bog um die Ecke.
    Wenig später ließ ihre Gruppe Kagbeni hinter sich und betrat den Verwaltungsbezirk des ehemaligen Königreichs Mustang.

[home]
53
    S ie hatten Jomsom nach Mietpferden regelrecht durchkämmt, doch auch nach zwei Stunden intensiver Suche stand ihnen nur eine alte, wenn auch kräftige und gesund wirkende Stute zur Verfügung.
    »Es wird gehen«, beschied Tara. »Ich bin das Laufen gewöhnt. Wie sieht es mit dir aus, Kim?«
    »Ich lebe in den Bergen und bin immer viel zu Fuß gegangen. Die Höhe ist auch kein Problem.«
    Tara nickte, obwohl sie nicht verstand, was Kim meinte. Welche Probleme sollte die Höhe bereiten? Da hatten sie wirklich andere Sorgen.
    Der Herr der Vögel kümmerte sich unterdessen um das Pferd. Sein Zauber wirkte auch auf dieses Tier: Lammfrom ließ sich die Stute von ihm herumführen und stieß ein zufriedenes Schnauben aus, als er ihr über die Flanken strich.
    »Hinaufhelfen müsst ihr mir allerdings«, sagte er zu Tara und Kim. »Der gebrochene Arm behindert mich doch sehr.« Er schob einen Fuß in den Steigbügel, und Kim hob ihn hoch. Das Pferd zuckte mit den Ohren, akzeptierte aber seinen Reiter. Minuten später setzten sie sich in Richtung Norden in Bewegung. Der Wind frischte auf.
     
    Anna arbeitete sich mit zusammengebissenen Zähnen eine neuerliche Steigung hinauf und sehnte das Zeichen für den Aufbau ihres Zeltlagers herbei. Dabei hatte der Tag, von Achims Streitlust abgesehen, recht harmlos angefangen: Bis zum Mittag waren sie den verhältnismäßig einfach zu bewältigenden Pfad am Talboden entlanggetrottet, vorbei an winzigen Häuseransammlungen und Tschörten mit windzerzausten Gebetsfahnen. Doch dann, kurz vor dem Eingang einer unheimlich aussehenden Schlucht, führte der Pfad sie in westlicher Richtung vom Haupttal fort, schnurstracks auf die sich dort türmenden Berge zu. Seitdem kämpften sie sich bergauf, immer bergauf, und je weiter der Tag fortschritt, mit desto spitzeren Zähnen biss der Wind.
    Anna fühlte sich völlig ausgelaugt und litt zudem unter Kopfschmerzen. Sie wanderten nun seit mindestens drei Stunden durch die ockergelbe Hochgebirgswüste, vorbei an durch Winderosion zu bizarren Formen geschliffenen Bergen, tiefeingeschnittenen Canyons, über Geröllhänge und flache Kuppen. Achim war unruhig und gönnte Anna nur kurze Pausen, in denen er sie mit Traubenzucker und Marsriegeln fütterte, um sie wieder aufzupäppeln. Dies war allerdings auch seine einzige Fürsorge – immer wieder trieb er sie zur Eile an, um die weit voraus marschierenden Träger nicht aus den Augen zu verlieren. Anna wurde es zunehmend mulmiger. Vergeblich versuchte sie sich einzureden, dass sie

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