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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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jüngere Kim! – von einem Moment zum anderen in ihrer Wahrnehmung in den Mann Kimball verwandelt hatte. In einen Mann, zu dem sie sich schon in Kalkutta hingezogen gefühlt hatte. Allerdings hatte sie sich bisher erfolgreich vorgemacht, es wären geschwisterliche Gefühle, die sie für ihn hegte. Typisch Anna, dachte sie, aber offensichtlich wusste Annapurna es besser. Sie musste lachen. Das Leben schlug Kapriolen, wenn man es nur ließ. Eben noch war sie am Boden zerstört, und im nächsten Augenblick färbten sich die Wolken rosa.
    Kim musterte sie mit einer Mischung aus Erstaunen und Erleichterung. »Also ist es abgemacht?«, fragte er.
    »Ja«, sagte sie. Dann erhob sie sich und klopfte trockenes Laub von ihrem Hosenboden. »Hast du etwas dagegen, zurückzugehen? Ich kann es kaum erwarten, unseren Plan in die Tat umzusetzen. Außerdem habe ich Angst, dass mich der Mut wieder verlässt, bevor ich Nägel mit Köpfen gemacht habe.«
    In diesem Moment schepperte der Schneeleopard erneut ans Gitter. Er zumindest hatte eine Menge dagegen, die beiden ohne eine neue Partie Jäger-und-Beute ziehen zu lassen.
     
    »Nach Nepal?« Ingrid schüttelte den Kopf. »Wer hat dir denn diesen Floh ins Ohr gesetzt?«, fragte sie, an Anna gerichtet, bedachte dabei aber ihren Sohn mit strengem Blick.
    »Das ist doch egal«, sagte Anna, strahlend vor Abenteuerlust. »Außerdem wird Kim mich begleiten.«
    Ingrid blieb der Mund offen stehen. »Daher weht also der Wind«, sagte sie schließlich. »Ich muss blind gewesen sein.«
    »Ich freue mich jetzt schon wie verrückt darauf, Kathmandu zu sehen!«, sagte Anna, ohne auf Ingrids Kommentar einzugehen.
    »Verrückt ist genau das richtige Wort. Ist euch denn nicht klar, dass in Nepal ein Bürgerkrieg tobt?«

[home]
28
    D er Hund hielt inne und knurrte kaum hörbar.
    »Schnell«, zischte Achal in Taras Ohr, »wir müssen uns unsichtbar machen.«
    Seine Warnung war unnötig, auch Tara hatte die verräterischen Stimmen und das Klacken von Metall auf Metall gehört und war bereits auf dem Weg in den Wald. Leise und schnell huschten die beiden, gefolgt von dem Hund, zwischen die knorrigen Stämme der baumhohen Rhododendren, bis Tara Achal am Ärmel zupfte. »Dort«, flüsterte sie und zeigte auf eine durch einen Baumstamm geschützte Bodensenke. Lautlos glitten sie in die Senke und pressten sich ins Laub. Die Stimmen kamen näher. Als sie auf gleicher Höhe mit Tara und Achal waren, hob er vorsichtig den Kopf und spähte zwischen einem Gewirr von toten Ästen und feuchten Schösslingen zu dem etwa dreißig Meter entfernten Weg hinüber.
    »Freunde?«, flüsterte Tara und strich gleichzeitig beschwichtigend über die Schnauze des Hundes. Er durfte jetzt keinen Laut von sich geben. Glücklicherweise schien er zu verstehen und verhielt sich ruhig.
    »Ich kann sie nicht gut erkennen, die Bäume versperren die Sicht. Aber sie sind so laut und sorglos, dass ich fürchte, wir haben es mit Regierungstreuen zu tun. Warte hier!«
    Bevor Tara ihn aufhalten konnte, hatte Achal das Versteck verlassen und schlich der sich entfernenden Gruppe nach. Dank seiner braun-grauen Kleidung wurde er schon nach ein paar Schritten eins mit dem Wald. Nicht zum ersten Mal auf ihrer Wanderung ließ Achal sie allein, um eine der vielen, auf mehr oder minder leisen Sohlen durch die Berge huschenden Gruppen auszuspähen, doch Tara verging noch immer vor Angst um ihn. In den ersten beiden Tagen nach ihrem Aufbruch aus dem Lager waren sie zweimal anderen Rebellen begegnet, doch je näher sie Kathmandu kamen, desto häufiger streiften Soldaten und Polizisten durch die Wälder, und ihr Vorwärtskommen wurde immer langsamer, bis es beinahe zum Stillstand gekommen war. Von Sarungs Lager aus hätte Kathmandu in zwei, höchstens drei schnellen Tagesmärschen erreicht werden können, doch sie mussten Haken schlagen, warten, wieder einen Umweg in Kauf nehmen, erneut warten, und hatten darüber Tage verloren. In einem Dorf waren sie nur knapp der Verhaftung entronnen – eine große Soldateneinheit hatte außerhalb der Siedlung kampiert und die Häuser systematisch nach Rebellen abgesucht. Sie waren nur davongekommen, weil ein mutiger Dorfbewohner Tara als seine Tochter ausgegeben und Achal unter dem Bett der kranken Großmutter versteckt hatte. Im Laufe der gemeinsamen Reisetage hatte Tara ein tiefes Vertrauen zu dem dunklen Kamis gewonnen und begegnete dem Älteren mit Respekt. Die Kastengrenzen waren verschwommen und hatten sich

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