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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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schließlich aufgelöst. Tara trauerte ihnen nicht nach.
    Achal blieb lange fort. Tara wurde unruhig. Die Dämmerung setzte ein, und der Wald verwandelte sich in ein Schattenreich. Lange Bartflechten schaukelten wie Geisterflügel von den bizarr verdrehten Ästen der Rhododendren, es knarzte und stöhnte und raschelte, und mehr als einmal zuckte Tara zusammen, weil sie in der Baumrinde eine Dämonenfratze zu erkennen glaubte. Hinzu kam ihre Angst vor der realeren Gefahr eines Leopardenangriffs oder Achals Gefangennahme. Sie war grenzenlos erleichtert, als der Hund plötzlich mit dem Schwanz wedelte und einen Sekundenbruchteil später Achal aus dem Dunkel auftauchte und sich neben ihnen in die Senke kauerte.
    »Wir haben Pech«, berichtete er. »Es sind sieben. Sicherheitspolizei. Sie lagern etwas weiter aufwärts, und ich sehe keine Chance, ungesehen an ihnen vorbeizukommen.«
    »Könnten wir einen Bogen schlagen?«
    »Leider nicht. Der Wald ist ziemlich dicht, wir sind ebenso wie sie auf den Pfad angewiesen. Das Beste ist, hier zu übernachten und ihnen morgen in großem Abstand zu folgen. Falls wir sie einholen, müssen wir unbedingt eine gute Geschichte parat haben, warum wir hier herumstolpern.«
    Tara seufzte. Sie war erschöpft und zermürbt, und die Aussicht auf eine weitere kalte Nacht im Wald drückte auf ihre Stimmung, doch dann riss sie sich zusammen. Sie konnte für den Moment nichts an ihrer Situation ändern, also sollte sie das Beste daraus machen.
    »Wie sieht es mit einem Feuer aus?«, fragte sie.
    »Besser nicht. Wir brauchen zwar nicht zu flüstern, aber wenn wir Pech haben, sichern sie ihr Lager nach allen Seiten und bemerken den Lichtschein oder riechen den Rauch.«
    »Auch gut. Was hast du noch an Vorräten?«
    In ihre Decken gewickelt, verzehrten sie ein karges Mahl aus kaltem Reis, Brot, Kokoskeksen und Mandarinen, zu dem auch der Hund geladen war. Etwas später drängten sie sich zusammen und zogen Achals Bhakhu über sich, einen schweren Wollumhang, mit dem man selbst Minusgraden trotzen konnte.
    »Woher hast du eigentlich den Bhakhu?«, fragte Tara. »Er ist wertvoll.«
    »Mein Vater hat ihn vor langer Zeit in einem der Dörfer am Manaslu gekauft und ihn mir gegeben, weil ich mehr Verwendung dafür habe. Er war Schmied, wie ich, und da kommt man viel herum. Manchmal bitten uns die Dorfbewohner, einen Schakal oder Leoparden oder Schneeleoparden zu jagen, der sich an ihren Herden vergreift. Im Gegensatz zu den Buddhisten oder euch Brahmanen dürfen wir töten. Mein Vater war ein guter Jäger.«
    »Bist du es nicht? Ich habe bemerkt, wie furchtlos du dich im Wald bewegst.«
    »Früher begleitete ich meinen Vater häufig, doch die Zeiten haben sich geändert. Vor drei oder vier Jahren kamen Leute von einer Organisation in das Dorf, in dem ich gerade Werkzeuge ausbesserte. Sie hatten es sich zur Aufgabe gemacht, die Schneeleoparden zu schützen, und erzählten uns viel über etwas, das sie Ökosystem nannten, und darüber, wie wichtig auch die großen Räuber in diesem Zusammenhang sind. Ich würde es Harmonie der Natur nennen. Was die Leute zu sagen hatten, stimmte mich nachdenklich, und auch vielen anderen ging es so, allen voran dem Lama. Wir haben damals noch lange, nachdem die Leute zum nächsten Dorf weitergezogen waren, darüber diskutiert, und seitdem bin ich nicht mehr auf der Jagd gewesen. Auch andere Kamis haben die Jagd aufgegeben. Du hast mir doch von deiner Begegnung mit dem Waldleoparden erzählt und deinem Gefühl, das Tier sei im Recht: So denke ich mittlerweile auch. Man kann die Leoparden verscheuchen, aber sie zu töten ist Frevel.«
    Tara zog die Beine näher an den Körper, um auch ihre Füße mit dem Bhakhu zu bedecken. Ihr brannte noch etwas auf der Seele.
    »Achal?«, begann sie vorsichtig. »Der alte Mann im Lager … Ich habe bemerkt, dass du ihn während des Abendessens ebenso beobachtet hast wie er uns. Sarung behauptet, nichts über ihn zu wissen, aber wie sieht es mit dir aus?«
    Achal stöhnte. »Ich hatte gehofft, du würdest nicht fragen«, sagte er.
    »Also weißt du etwas?«, bohrte sie nach.
    »Wissen wäre zu viel gesagt, aber ich habe eine Vermutung. Dein Hund hat mich darauf gebracht.«
    »Der Hund?«
    »Ja. Ich kenne keinen mutigeren Hund als ihn, doch als wir ums Feuer saßen, hat er bei dir Schutz gesucht. Sobald der Alte das Wort ergriff, winselte er. Erschien dir das nicht seltsam?«
    »Ich habe nicht weiter darüber nachgedacht, vielleicht, weil mir

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