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Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Joey, der laut zu weinen anfing. »Das lasse ich nicht zu! Niemand nimmt mir mein Kind weg!«
    Sie versuchte, nach draußen zu gelangen, aber der bullige Marsden verstellte ihr die Tür. Feuchte Locken kräuselten sich auf seinem Schädel. Moiras Gedanken überschlugen sich, sie atmete hektisch. Sie musste Zeit gewinnen. Wenn doch wenigstens Duncan hier wäre!
    Â»Bitte, lasst mir noch ein paar Minuten.« Mit aller Gewalt zwang sie sich zur Ruhe. »Und … wollt Ihr Euch nicht setzen? Ihr habt sicher Durst an einem so heißen Tag.«
    Marsden wich keinen Schritt von der Tür. »Mrs McIntyre, macht es Euch doch nicht so schwer.«
    Â»Reverend«, mischte sich jetzt McIntyre ein, der bis jetzt geschwiegen hatte. »Wir sollten gehen.«
    Â»Ihr sagt es.« Marsden deutete auf Ann. »Gebt ihr das Kind.«
    Â»Nein!« Moiras Stimme überschlug sich. »Bitte, Sir, wartet … wartet wenigstens, bis Duncan zurück ist!«
    Marsden wirkte, als würde das weiße Beffchen ihm die Luft abschnüren, so rot wurde er plötzlich im Gesicht. »Ich werde sicher nicht auf einen ehemaligen Sträfling, noch dazu einen Papisten, warten. So jemand ist niemals gleichzusetzen mit einem freien Siedler. Solche Leute schwächen die Klasse der Arbeiter und sehen sich selbst als Herren an, wo sie doch Diener sein sollten. Außerdem würde es nichts ändern. Das Recht ist auf der Seite Eures Mannes. Und nun seid vernünftig, Mrs McIntyre, und gebt das Kind ­heraus. Der Junge wird schnellstmöglich getauft, um in den Schoß der Kirche von England aufgenommen zu werden.«
    Moira blickte verzweifelt auf. »Er ist schon getauft!«, stieß sie hervor. »Und zwar katholisch!«
    Marsdens feistes Gesicht schien zu versteinern. »Wer? Wer hat die Frechheit besessen? Kein papistischer Priester darf in Neusüdwales praktizieren! Damit habt Ihr Euch strafbar gemacht!«
    Und wenn schon. Moira sah an Marsden vorbei auf McIntyre. Ihr Herz hämmerte. Ob ihn diese Eröffnung umstimmen würde?
    Â»Bitte!«, formten ihre Lippen lautlos.
    Â»Mrs McIntyre, ich fordere Euch hiermit zum letzten Mal auf, das Kind herauszugeben!«
    Moira schüttelte heftig den Kopf und sank auf die Knie. Schützend barg sie ihren Sohn vor ihrem Bauch und kauerte sich zusammen.
    Sie waren zu viele. Gegen drei Leute, die alle an ihr und Joey zerrten, kam sie nicht an. Schon gar nicht in ihrem immer noch geschwächten Zustand. Ihre verzweifelten Bitten mischten sich mit Joeys ohrenbetäubendem Gebrüll. Sie schrie, heulte, bettelte – und musste doch mitansehen, wie man ihr den Sohn aus den Händen wand. Wieder und wieder klammerte sie sich an den Korb, in den man ihn gepackt hatte, versuchte, den Jungen an sich zu reißen, bis es den Männern und Ann schließlich gelang, in die Kutsche zu steigen.
    Als sie davonfuhren, sank Moira vor der kleinen Bank zusammen, ihr Atem ging in hektischen Schluchzern, für einige Augenblicke glaubte sie, ohnmächtig zu werden. Dann hob sie den Kopf, starrte durch tränen- und staubverklebte Wimpern der Kutsche hinterher.
    Â»Ich lasse dich nicht bei ihm, Joey! Ich hole dich zurück!«
    Mühsam richtete sie sich auf und schlug den staubigen Pfad nach Toongabbie ein.
    *
    Als Duncan vom Pferd sprang, war er im ersten Moment sprachlos vor Wut und Erschrecken: Mr Betts’ Maisfeld brannte. An zwei Ecken des beinah quadratischen Feldes, auf dem die noch nicht ganz erntereifen Kolben wuchsen, schlugen Flammen hoch, fraßen sich in rasender Geschwin digkeit durch die Anpflanzungen. Ein verzweifelter Mr Betts versuchte gemeinsam mit seiner Frau und zwei seiner Kinder, die Flammen mit nassen Tüchern auszuschlagen. Und überall sah man Eingeborene, sicher an die dreißig, vierzig johlende Männer. Die weiße Kriegsbemalung, mit der die dunklen Körper geschmückt waren, machte es Duncan schwer, jemanden zu erkennen. Nur einer von ihnen war nicht nur weiß, sondern auch ockerfarben, rot und schwarz bemalt. War das etwa Pemulwuy, den sie den Regenbogenkrieger nannten? Und was um alles in der Welt sollte das? Hatte er den Verstand verloren?
    Manche von ihnen trugen brennende Fackeln in der Hand, andere Gewehre, die sie offenbar auf früheren Raubzügen erbeutet hatten. Der laute Knall, wenn einer von ihnen eine Musketenkugel in die Luft feuerte, hallte wie Donner über ihre

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