Im Tal des wilden Eukalyptus
zum Doktor â¦!«
»Ach, du liebe Güte«, erwiderte die Frau. »Aber ⦠der Herr Doktor ist nicht da, gute Frau, und ich habe hier einen Säugling zu versorgen. Ich fürchte â¦Â«
»Bitte, helft mir!« Moira griff wie haltsuchend nach dem Kleid der Frau, dann krümmte sie sich und stöhnte. »Ich ⦠ich habe starke Schmerzen â¦Â«
»Nun â¦Â« Die Amme zögerte, dann siegte das Mitgefühl. »Gut, kommt erst einmal mit hinein. Dann werden wir sehen, was ich für Euch tun kann.«
Sie führte Moira, die sich noch immer wie unter Schmerzen zusammenkrümmte, ins Haus. Moira segnete sie im Stillen. Wie lange war sie nicht mehr hier gewesen? Alles kam ihr noch immer so vertraut vor â der schmale Gang, die Türen, die rechts in Stube und Schlafzimmer, links in Behandlungs- und Studierzimmer führten.
»Wohin, wohin â¦Â«, murmelte die Frau wie zu sich selbst. Die Türen zur linken Hand waren abgeschlossen, nur McIntyre hatte den Schlüssel. Zumindest war es früher immer so gewesen. »Dorthin«, entschied die Amme und führte Moira in die Küche am Ende des Gangs.
Moira durchfuhr es wie ein heftiger StoÃ, als sie die Wiege sah, die in der Ecke in der Nähe des Herdes stand. War Joey dort drinnen? Alles in ihr drängte danach, zu ihm zu laufen, ihn an sich zu pressen. Aber sie musste sich noch etwas zurückhalten, die Kranke spielen, wenn sie nicht alles zunichtemachen wollte â¦
Erschrocken bemerkte sie, dass erneut die Milch in ihre Brüste schoss, ihre Bluse benetzte. Bevor die Amme es merken konnte, zog Moira ihr Schultertuch fester um sich, lieà sich auf die hölzerne Bank sinken und krümmte sich stöhnend vornüber.
»Maâam? Maâam, hört Ihr mich?« Das Gesicht der Amme war dicht vor ihr. »Mrs â ich weià nicht mal Euren Namen ⦠ist alles in Ordnung?«
»Conway«, keuchte Moira wie unter Schmerzen. »Mein Name ⦠ist Conway. Könnte ich ⦠vielleicht etwas Wasser haben?«
» Natürlich.« Die Amme richtete sich auf, während Moira vornübergebeugt sitzen blieb. Wenn sie einen Schluck Wasser getrunken hatte, konnte sie danach so tun, als ob es ihr wieder besserginge. Dann könnte sie das Kind bemerken, und dann könnte sie Joey auch sehen, womöglich sogar berühren, ihn â¦
»Oder â wartet â ich hole Euch etwas zur Stärkung, Mrs Conway. Das hat mein verstorbener Mann auch immer gesagt. Nichts ist besser für Leib und Seele, Rosie, meinte er immer, als ein ordentlicher Schluck Rum. Ich glaube, der Doktor hat den Rum in der Stube stehen. Er hat sicher nichts dagegen, wenn ich ihn für diesen Notfall verwende.« Ihre unbeschwerten Worte lieÃen Moira vermuten, dass auch die Amme ganz gern einmal einen Schluck Rum nahm . »Meint Ihr, ich kann Euch einen Augenblick allein lassen?«
Moira nickte mit tiefgesenktem Kopf, ihr Herz hämmerte. Sollte es tatsächlich einmal gut für sie laufen?
Sobald die Amme aus der Küche getreten und um die Ecke gegangen war, sprang Moira auf und lief zur Wiege. Sie presste eine Hand auf den Mund, um nicht vor Glück und Sehnsucht aufzuschreien. Joey! Der Junge war wach und sah sie mit groÃen, grünlich blauen Augen an. Sie flüsterte ihm leise Koseworte zu, während sie bebend vor Anspannung in die Wiege griff, das eingewickelte Bündel Mensch heraushob und an sich drückte.
Die Zeit schien stillzustehen. Für einen kurzen, innigen Augenblick war alles wieder gut. All ihre Sorgen, alle Ãngst e und Nöte fielen von ihr ab. Sie war Mutter, und hier war ihr Kind. Nichts anderes zählte mehr.
Joey stieà ein paar quäkende Laute aus. Sie wiegte ihn leicht, gurrte in sein Ohr. Dann kehrten ihre Gedanken in die Wirklichkeit zurück. Gleich würde die Amme wiederkommen. Wenn sie sah, dass Moira das Kind im Arm hielt, würde sie sicher Verdacht schöpfen.
Aber sie konnte Joey nicht noch einmal hergeben. Nicht jetzt, da sie ihn so nah bei sich trug.
Moira überlegte nicht, sie handelte einfach. Mit leisen Schritten, das Kind an sich gepresst, ging sie zur Küchentür . Ein vorsichtiger Blick. Noch war nichts zu sehen, der Flur war leer; sie hörte lediglich, wie die Amme sich an einem Schrank in der Stube zu schaffen machte. Schnell nach links, bis zur Hintertür.
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