Im Tal des wilden Eukalyptus
betrat, hätte sie fast aufgeschrien. Die Kerle hatten ganze Arbeit geleistet: Stühle waren umgekippt, ein Regal heruntergerissen. Die halbe Speckseite und das gesamte Brot waren verschwunden, einige Flaschen mit Rum fehlten, andere waren zerschlagen, und der Deckel ihrer Truhe war geöffnet.
Sie stürzte an die Truhe. Auch hier war alles durchwühlt, zwei ihrer guten Kleider fehlten und auch ihre Seidenstrümpfe, aber was das Schlimmste war: Der kleine Beutel mit ihrem Geld war fort. Das Geld, das Duncan sich so mühevoll erarbeitet hatte. Ihre gesamte Barschaft war gestohlen worden!
Mit einem Schluchzen sank Moira vor der Truhe zusammen. Das war Penriths Werk. Und es war womöglich erst der Anfang.
*
Artemis warf den Kopf zurück, wieherte und ging zwei Schritte nach hinten.
»Wirst du wohl stehen bleiben!«, knurrte Moira das Tier an.
Sie war kurz davor, die bockige Stute zu hart anzufassen. Aber sie riss sich zusammen, schlieÃlich wollte sie nicht gleich wieder auf der Erde landen. Wie hatte Duncan es bloà immer geschafft, dass das Pferd ihm so mühelos gehorchte? Bei ihm hatte sich die Stute nie so angestellt.
Sie klopfte und streichelte Artemis, bis sich das Pferd wieder beruhigt hatte, dann führte sie das Tier erneut neben den Holzblock. Mit viel gutem Zureden gelang es ihr schli eÃlich, ein Bein über den breiten Pferderücken zu schwingen und aufzusteigen. Rittlings, wie ein Mann. Sie traute der Stute zu wenig, um sich im unsicheren Damensitz bis nach Toongabbie zu wagen. Sie hätte ja nicht einmal einen passenden Sattel gehabt.
Sie raffte ihren langen Rock, bis es sich bequem anfühlte. Es war ein herrliches Gefühl, endlich wieder auf einem Pferderücken zu sitzen â auch wenn es heute kein froher Anlass war.
McIntyre hatte ihr Joey weggenommen. Duncan war verschwunden. Ihr gesamtes Geld war gestohlen worden und um ein Haar auch ihr Pferd. Und nun sollte sie auch noch eine Strafe zahlen, weil sie gewagt hatten, ihr Kind katholisch taufen zu lassen. Das Schreiben, das der Bote gestern gebracht hatte, kam von Reverend Marsden â dem Mann, der McIntyre geholfen hatte, ihr Kind an sich zu nehmen.
Es half nichts, sich darüber aufzuregen. Sie brauchte Geld. Natürlich hätte sie Elizabeth Macarthur darum bitten können, aber vorher wollte sie jede andere Möglichkeit ausschöpfen. Sie würde nach Toongabbie reiten und sich von McIntyre die Zahlung, die ihr jeden Monat zustand, abholen. Vielleicht konnte sie dabei ja einen Blick auf Joey erhaschen, durfte ihn möglicherweise sogar auf den Arm nehmen â¦
Das Pferd unter ihr schnaubte, tänzelte, als könnte es kaum erwarten loszutraben. Moira beugte sich vor, strich über die kurze, dichte Mähne, dann drückte sie der Stute die Fersen leicht in die Seite und ritt los.
Eine knappe Stunde später war sie am Ziel, verschwitzt und voller Staub, stieg ab und band Artemis neben der Veranda von McIntyres Haus an. Sie strich sich ihren verknitterten Rock glatt, klopfte den Staub aus ihrem Kleid und zog die Bänder ihres Hutes fester. Ihr Kleid hatte schon bessere Tage gesehen; das vergangene Jahr hatte den dunklen, edlen Stoff ausbleichen lassen, so dass er jetzt schäbig wirkte. Wenigstens hatte sie noch ihr gutes Tuch aus gewebter roter Seide, das sie jetzt groÃzügig über ihre Schultern drapierte.
Vor der Tür zögerte sie einen Moment. Sie kam nicht als Bittstellerin, sagte sie sich, sondern holte sich nur das, was ihr zustand. Sie würde McIntyre keine Szene machen, sondern ihm wie eine erwachsene Frau begegnen. Wenn er merkte, dass vernünftig mit ihr zu reden war, würde er ihr womöglich gestatten, einen Blick auf ihren Sohn zu werfen.
Sie atmete tief durch und klopfte.
Es war Ann, die öffnete. Schnell und so weit, als hätte sie mit jemand anderem gerechnet. Sobald sie Moira sah, schloss sie die Tür wieder bis auf einen handbreiten Spalt.
Moira biss sich auf die Lippen und zwang sich zur Ruhe. »Ist der Doktor zu sprechen?«
Ann sah sie aus groÃen, leicht verschreckt wirkenden Augen an. »Nein«, sagte sie schlieÃlich. »Er ist bei einem PaÂtienten.«
»Dann warte ich.« War Joey dort drinnen? Am liebsten hätte sie die Tür aufgedrückt, Ann beiseitegeschoben und wäre in das Haus gestürmt. Aber das würde alles verderben.
»Es kann länger dauern, hat Dr. McIntyre gesagt.
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