Im Tal des wilden Eukalyptus
die Abwechslung tischte sie ihnen ein üppiges Mahl aus Lammfleisch, Brot und Gemüse auf und lieà sie erst am Nachmittag gehen.
Der Regen hatte endlich aufgehört, als Duncan wieder bei seiner Hütte eintraf. Artemis war bis zum Bauch mit Schlamm bespritzt; er würde das Pferd gleich abreiben müssen. Ãberall auf dem kleinen Hof vor ihrer Hütte standen Pfützen. Die drei mageren Hühner hatten sich aus ihrem Verschlag gewagt und pickten nun im Matsch. An der Leine flatterte frisch gewaschene Wäsche, die Holzklam mern hatte er selbst geschnitzt. Eines der Wäschestücke war heruntergefallen und lag im Dreck. Er hob es auf. Es war einer von Moiras mehrfach geflickten Strümpfen, den jetzt ein hässlicher brauner Fleck verunzierte.
Er blieb stehen, den Strumpf in der Hand. Einen Moment lang stellte er sich vor, wie sein kleiner Sohn ihm mit seinen kurzen Beinen nachlief, wie er das Gleichgewicht verlor und in den Schlamm plumpste, wie er die Ãrmchen ausstreckte, um von ihm hochgehoben zu werden.
Er schluckte. Joey war jetzt fast sechs Monate alt. Konnte ein Kind mit sechs Monaten schon laufen? Bekam er schon Zähne? Sprach er gar schon die ersten Worte? Die Vorstel lung, dass sein Sohn den Doktor »Daddy« nannte, versetzt e ihm einen schmerzhaften Stich.
Und ausgerechnet er wollte Moira davon abhalten, zu viel über all das nachzugrübeln. Das war, als wollte man dem Feuer verbieten zu brennen. Der Gedanke an Joey war wie eine offene, schwärende Wunde. Aber während Duncan zumindest versuchte, die Wunde heilen zu lassen, musste Moira immer wieder daran kratzen, sobald sich auch nur ein leichter Schorf gebildet hatte.
Er schüttelte entschlossen den Kopf, ging zur Hütte und öffnete die Tür. Der Geruch von gegartem Kohl und feuchtem Tierfell quoll ihm entgegen. Moira blickte auf, als er eintrat. Sie stand mit dem Rücken zum Ofen, und an ihrem Tisch saà ein Mann.
Es brauchte ein paar stolpernde Herzschläge, bis er seine n Vater erkannte. Joseph wirkte nicht länger wie der Gentleman, in den Mrs Macarthur ihn verwandelt hatte. Seine Haare waren wieder gewachsen und hingen ihm feucht und strähnig bis auf die Schultern, ein kurzer, ungepflegter Bart bedeckte sein Gesicht, und das Kängurufell roch wie ein nasser Hund.
»Joseph«, sagte Duncan, und noch während er sprach, flackerte Besorgnis in ihm auf. Dass sein Vater sich nach so langer Zeit wieder hier blicken lieÃ, konnte nichts Gutes bedeuten. »Was ist passiert?«
»Ich bringe ihn um«, stieà Joseph statt einer Antwort he r vor. »Ich bringe diesen Mistkerl mit meinen eigenen Hände n um!« Wie zur Unterstreichung hieb er mit beiden Fäusten fest auf die Tischplatte.
»Wen denn, um Gottes willen?«
»Penrith!« Joseph spuckte den Namen aus wie eine verdorbene Speise.
Moira löste sich vom Ofen und ging auf ihn zu. »Er hat Pemulwuy in einen Hinterhalt gelockt«, sagte sie leise. »Und ihn dann kaltblütig erschossen.«
*
Das Kleid war aus silbrig blauer Seide, mit einem kleinen Blumenmuster in Dunkelblau. Schlicht und doch elegant genug, um es auf einer Abendveranstaltung zu tragen. Da Moiras Arbeitskleidung zu verschlissen und ihre beiden guten Kleider von den Plünderern gestohlen worden waren, hatte sie selbst zu Nadel und Faden gegriffen. Die Seide hatte sie von Elizabeth geschenkt bekommen. Sie musste lächeln, als sie an den ungläubigen Ausdruck auf Duncans Gesicht dachte, als sie ihm das Kleid vorgeführt hatte. Allein dafür hatten sich die unendlich langweiligen Nähstunden bei Miss Egglestone daheim in Irland gelohnt.
DrauÃen hörten sie Elizabeths Kutsche vorfahren. Duncan, der sein bestes Hemd trug, reichte ihr den Arm. »Auf in den Kampf!«
Diesmal hatte Wentworth keine Entschuldigung gelten lassen. Ob nun ehemaliger Sträfling oder vom Ehemann getrennt â er bestand darauf, dass zu seiner diesjährigen Jahresfeier auch Moira und Duncan kamen.
Vor Wentworths Anwesen drängten sich die Kutschen. Der Eingangsbereich und der Platz vor den Ställen waren mit Fackeln ausgeleuchtet, Sträflinge und andere Bedienstete eilten hin und her. Vor dem Küchenanbau briet ein Spanferkel über einem offenen Feuer und verbreitete einen herrlichen Duft. Gutgekleidete Damen und Herren standen in Gruppen herum, Gelächter und Stimmengewirr waren zu hören. Moira glaubte sich um zwei
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