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Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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die Flinte zu polieren. Ich glaube nicht, dass so etwas zur normalen medizinischen Versorgung gehört.«
    Â»Welche Flinte? Was hat …«
    Â»Himmel, er hat sich angefasst! Wie deutlich muss ich denn noch werden?«
    Â»Wie bitte?« Moira sah ihn ungläubig an. Erneut wollte sie widersprechen, hielt aber inne, als eine schwache Erinnerung bei ihr anklopfte. Irgendetwas, was jemand gesagt oder getan hatte. Dann schüttelte sie den Kopf – dafür war jetzt keine Zeit.
    Â»Und er saß tatsächlich bei … Duncan?«
    Joseph nickte.
    Moira stieß in einem langgezogenen Seufzer die Luft aus. »Weiß er davon?«
    Â»Duncan?« Joseph sah sie an, und zum ersten Mal bei dieser Unterredung zögerte er. »Ich bin nicht sicher«, sagte er dann. »Aber darum geht es mir gar nicht.«
    Â»Worum dann?«
    Â»Um den kleinen Joey. Ich fürchte, der Doktor könnte sich an dem Jungen vergehen.«
    *
    Duncan kam es vor, als habe sich an diesem Vormittag die Hälfte der weißen Einwohner von Neusüdwales auf dem Marktplatz von Parramatta eingefunden. Wo noch vor einer guten Woche Verkaufsbuden gestanden hatten und der behelfsmäßige Tisch, auf dem Moira versteigert worden war, erhob sich nun ein Pfosten, an dem ein kürzeres Querholz befestigt war. Ein Windstoß ließ die Hanfschlinge dar­an schwanken.
    Duncan schluckte mühsam. In seiner Kehle saß etwas, das ihm die Luft abpresste, als hätte er selbst eine Schli n­ ­ge um den Hals. Neben ihm, in der dichtgedrängten Men ­­ge, stand Moira. Trotz der frühsommerlichen Wärme hatte sie ihr Schultertuch eng um sich gezogen, als wäre ihr kalt.
    Er wollte nicht hier sein. Mit Freuden hätte er sich lieber selbst noch einmal bis zur Bewusstlosigkeit auspeitschen lassen, als hier stehen und mit ansehen zu müssen, wie man seinen Vater hängte. Aber er wollte, er durfte Joseph auf seinem letzten Weg nicht alleine lassen. Er hatte schon einmal geglaubt, seinen Vater am Galgen verloren zu haben. Damals war es Joseph gelungen zu entkommen. Aber diesmal würde es keinen Ausweg geben. Heute schloss sich der Kreis. Wie hatte sein Vater erst gestern gesagt? Man kann seiner Bestimmung nicht entgehen.
    In der Nähe des Galgens sah er William Penrith stehen – Lagerverwalter von Toongabbie und zudem Major Penriths jüngerer Bruder. Duncan hatte den Mann seines umgänglichen Charakters wegen immer geschätzt, aber diesmal war seine Miene verkniffen, das füllige Gesicht voller Verbitterung. Wahrscheinlich war er der Einzige, der den Tod des Majors betrauerte. Vor wenigen Tagen hatte Duncan ihm sein Beileid ausgesprochen und zu erreichen versucht, dass er sich für Josephs Begnadigung einsetzte, aber ihm war eisige Ablehnung entgegengeschlagen. Für den Mörder seines Bruders, so Sergeant Penrith, würde er sich auf keinen Fall verwenden.
    Als der von einem Pferd gezogene, am hinteren Ende offene Karren mit dem Verurteilten herangerumpelt kam, ging ein Raunen durch die Menge. Einige begannen zu zischen und zu schimpfen.
    Â»Hut runter!«, erklang es vor Duncan – aber nicht etwa, wie er für einen Moment glaubte, aus Respekt vor dem nahen Tod. »He, du da vorne, nimm den verdammten Hut ab, ich seh ja nichts!«
    Joseph hielt sich mit den vor dem Bauch gefesselten Händen an der Seitenwand des Karrens fest, seine Arme waren in Höhe der Ellbogen an den Körper gebunden. Der Karren fuhr direkt bis unter den Galgen. Joseph war blass, wirkte aber gefasst; suchend wanderte sein Blick über die Menschenmenge, und als er seinen Sohn entdeckte, ging ein Lächeln über sein bärtiges Gesicht. Duncan nickte ihm zu, der Kloß in seiner Kehle war so groß, dass er kaum atmen konnte.
    Ein Geistlicher in schwarzer Soutane, in dem Duncan den feisten Reverend Marsden erkannte, trat an den Karren. Ein protestantischer Reverend für einen katholischen Iren – auch bei einer Hinrichtung sah man nicht von dem Verbot für katholische Geistliche ab. Duncan hatte seinen Vater nie gefragt, ob dieser nach so vielen Jahren bei den Eora auch deren Glauben angenommen hatte oder ob er noch immer Christ war. Zumindest faltete Joseph die Hände und senkte den Kopf, als der Reverend jetzt ein Gebet anstimmte.
    Â»Möge Gott der Allmächtige sich deiner Seele erbarmen« , schloss Marsden, dann machte er Platz für den Henker, dessen

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