Im Tal des wilden Eukalyptus
sprechen â nichts, was Ningali schwergefallen wäre. Jetzt mussten sie sich gegenseitig mit Wasser reinigen, um sich endgültig vom Seelengeist des Vaters zu befreien.
Die GroÃmutter reichte Dan-Kin eine Schale mit Wasser und bedeutete ihm, was er zu tun habe. Er griff danach, hob sie über Ningalis Kopf und lieà das kühle Nass langsam über ihren Kopf laufen. Sie schloss die Augen und spürte, wie das Wasser durch ihr Haar sickerte, über ihre Schultern floss, in den frischen Schnittwunden brannte. Ein kurzer Schauer überlief sie, als die Nässe über die nackte Haut ihres Bauchs rieselte â es war kühl, die Zeit der groÃen Hitze noch fern.
Sie öffnete die Augen, an ihren Wimpern hingen Tropfen. Dann griff sie nach der zweiten Schale. Dan-Kin, der sonst zu groà für sie gewesen wäre, kniete sich vor sie und schloss die Augen, als sie das Wasser bedächtig über ihm ausgoss. Wasser mischte sich mit Blut und Asche zu einer trüben Brühe, die seinen Körper hinabrann.
Als Dan-Kin aufgestanden war, entzündete die GroÃmut ter ein Feuer und stimmte einen weiteren Gesang an. Dan-Kin, Tedbury und zwei weitere Männer betraten die Laub hütte, die eigens zu diesem Zweck auf der Lichtung erricht et worden war. Das Jammern und Klagen, das Heulen und Schreien erreichte einen neuen Höhepunkt, als die Männer Bun-Boes in groÃe Rindenstücke gehüllten Körper heraustrugen. In der Mitte der Lichtung war ein längliches Stück Erde aus dem Waldboden ausgehoben worden. Dort hinein betteten die Männer jetzt den Leichnam, während der Qualm des Feuers über sie wehte.
Ningali trat vor und legte das Messer des Vaters neben ihn. Weitere Stammesangehörige gaben etwas ins Grab; Bun-Boes Wurfholz, einen Teller, seinen Gürtel, ein paar Patronen. Dan-Kin legte nichts hinein, stand nur vor dem Grab und schien stumme Zwiesprache mit dem Toten zu halten. Der Rest von Bun-Boes Besitztümern, wie das Käng urufell, das er meist getragen hatte, würde später verbrannt und seine Hütte mit einer Rauchzeremonie gereinigt werden. SchlieÃlich würde der Clan weiterziehen, um erst dann wieder hierher zurückzukehren, wenn die Erinnerung an den Toten verblasst war.
Die GroÃmutter wedelte Rauch über die Grabstätte und spritzte Ocker, mit Wasser gemischt, darüber. Dann trat sie zurück und lieà die Männer Erde daraufschütten und sie zu einem kleinen Hügel feststampfen, auf dem bald wieder Pflanzen wachsen würden. Andere Eora verteilten sich am Rand der Lichtung und begannen, bei den gröÃten Bäumen mit Hilfe ihrer Steinmesser einen Teil der Rinde zu entfernen und das Holz darunter mit Mustern zu versehen â zur Ehrung des Toten und um zu verhindern, dass Bun-Boes Seelengeist diese Stätte verlassen und Unheil anrichten würde.
Dan-Kin war beim Grab geblieben. Ningali sah zu, wie er zwei kurze, in Kreuzform zusammengefügte Zweige auf dem kleinen Erdhügel befestigte â das Symbol, das für den Glauben der weiÃen Menschen stand.
Durch die Ascheschicht auf Mo-Ras Gesicht hatten Tränen ihre Spuren gezogen. Ningali nickte ihr zu und fasste nach ihrer Hand, und gemeinsam traten sie neben Dan-Kin und legten die prächtigen roten Waratah -Blumen neben das kleine Kreuz. Die Waratah würden Bun-Boe helfen, erneut zu einem Geistkind zu werden. Im Teich der Seelen würde er nun seine Wiedergeburt erwarten â als Mensch, als Schlange oder Vogel, als Baum oder Felsen. Vielleicht sogar als Krähe, seinem Totemtier.
*
Der kräftige Geruch des Pferdeleibs stieg ihr in die Nase. Mit langen Strichen glitt Moiras Hand mit der Kardätsche wie von selbst über den Pferdekörper. Artemis schien es zu gefallen, was sie da tat; ganz entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, bei jeder Gelegenheit zu bocken und den Kopf zu schütteln, hielt sie im Unterstand still und schlug lediglich mit dem Schweif, um die lästigen Fliegen zu vertreiben, die sich immer wieder auf ihr Hinterteil setzten.
Normalerweise übernahm Duncan alles, was mit der Stut e zu tun hatte, aber heute Vormittag hatte er sich mit der Beg ründung, er wolle alleine sein, in den angrenzenden Busch zurückgezogen. Nicht erst seit der gestrigen Beerdigung bei den Eora wirkte er abwesend und hatte kaum etwas geredet. Der Tod seines Vaters war für ihn ein schwerer Schlag gewesen. Moira
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