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Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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lederne Maske den größten Teil seines Gesichts verhüllte.
    Joseph suchte ein letztes Mal Duncans Blick. Dann streift e der Scharfrichter ihm eine weiße Kapuze über den Kopf, legte ihm die Schlinge um den Hals, zog sie fest, überprüfte sie ein letztes Mal und stieg vom Wagen, um das Pferd anzutreiben.
    Ein vielstimmiges Seufzen erklang, als der Karren nach vorne gezogen wurde und Joseph ins Leere fiel.
    Es war ihm jedoch kein rascher Tod vergönnt. Einen Augenblick sah Duncan noch hin, dann schlang er die Arme um sich, als könne er sich damit festhalten, und wandte den Blick zum Himmel, um das krampfhafte Zucken und Zappeln der Beine nicht mehr sehen zu müssen. Er presste die Zähne so fest zusammen, dass es weh tat, und schickte ein verzweifeltes Gebet um Gnade und Erlösung hinauf zu den Wolken, die sich dort oben zu dunklen Klumpen zusammenballten und die Sonne verdeckten.
    Er hörte Moira schluchzen und dann überrascht aufkeuchen, aber erst als sie ihn berührte, folgte er ihrem Blick.
    Der Körper am Seil bewegte sich nicht mehr. Und zu Josephs Füßen erhob sich der Mann, der sich an die Beine des Verurteilten gehängt hatte, um den Todeskampf zu verkürzen. Ein rothaariger Hüne. Samuel Fitzgerald.

19.
    Die Schatten wurden länger, als die Sonne unterging und endlich, endlich die Dämmerung einsetzte. Von den Bäumen am nahegelegenen Flussufer erhob sich zeternd ein Schwarm Flughunde. Moira saß auf dem Karren, mit dem sie gekommen waren; Duncan hatte das Gefährt neben einem der kleinen, quaderförmigen Nebengebäude des Lazaretts abgestellt und war abgestiegen. Jetzt lief er wie ein eingesperrtes Tier hin und her. Moiras Herz krampfte sich zusammen. Josephs Hinrichtung mit ansehen zu müssen, war schrecklich gewesen, und nun zerrte das Warten an ihrer beider Nerven. Bildete sie es sich ein, oder lag wirklich der Geruch von Blut in der Luft?
    Der Henker hatte ihnen gesagt, sie könnten Josephs Leiche mit Einbruch der Dämmerung hier abholen. Was be deutete, dass Joseph – anders als die meisten anderen wege n Mordes Gehängten – zumindest ein Begräbnis bekommen würde, nachdem sein Körper von den Ärzten auseinandergenommen worden war.
    Seit Stunden hatten Duncan und Moira nicht mehr miteinander gesprochen. Auch nicht darüber, was es mit dem rothaarigen Hünen, der plötzlich unter dem Galgen aufge taucht war und Josephs zuckende Beine umklammert hatte , auf sich hatte. Möglicherweise hatten ihre verweinten Augen Moira einen Streich gespielt, und der Mann war danach so schnell verschwunden, dass sie ihn kaum wirklich hatte sehen können. Aber falls es tatsächlich Fitzgerald gewesen war, dann war er damals in der Bucht am Hawkesbury nicht ertrunken, sondern hatte sich retten können. Wieso war er zurückgekehrt? Moira konnte zumindest vermuten, weshalb er heute dort gewesen war: Joseph hatte ihm damals zur Flucht verholfen. Dass er trotz der Gefahr für sich bei Josephs Hinrichtung aufgetaucht war und ihm die Gnade eines schnellen Todes beschert hatte, war ihm hoch anzurechnen. Aber wie hatte er überhaupt von Josephs Verurteilung erfahren?
    Aus dem Schatten der Bäume schälte sich jetzt eine kleine Gestalt. Ningali! Moira hatte das Mädchen seit Penriths Tod nicht mehr gesehen. Die Kehle wurde ihr eng, als Duncan auf seine Halbschwester zuging und sie in den Arm nahm. Moira verstand nicht, was er sagte, nur ein raues Flüstern drang zu ihr herüber, aber Ningali nickte. Dann deutete das Mädchen auf etwas hinter ihm.
    Auch Moira wandte den Kopf und erhob sich, als sie McIntyre vom Lazarett her kommen sah. In seiner Hand rasselte bei jedem Schritt ein Schlüsselbund.
    Â»Mein … Beileid«, sagte er hölzern, sobald er sie erreicht hatte.
    Duncan, der zu Moira zurückgegangen war, nickte nur, seine Züge waren unbewegt. Ningali war wieder zwischen den Bäumen verschwunden.
    McIntyre nestelte am Bund, suchte nach dem passenden Schlüssel und steckte ihn schließlich ins Schloss. Moira sah ihm dabei zu – und plötzlich würgte es sie, als sie daran dachte, dass diese Hände wahrscheinlich vor kurzem noch in Josephs Gedärmen herumgefingert hatten.
    Â»Seid Ihr Euch eigentlich für nichts zu schade?«, presste sie die Worte hervor, die sich in ihre Kehle drängten.
    McIntyre verharrte, den Schlüssel im Schloss. »Warte ab, bevor

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