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Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Sir.« Die Stimme klang seltsam weit entfernt, wie durch eine dicke Wand.
    Â»Lasst mich … Lasst mich nicht allein …«
    Ein krampfhaftes Beben durchlief seinen Körper, dann noch eines. Zitternd klammerte er sich an die Hand, die nach seiner fasste.
    Er stöhnte vor Furcht, als aus dem Dunkel vor seinen Augen eine grässliche Fratze auftauchte. Dann erkannte er in den verzerrten Zügen den jungen Obergefreiten Higgins, den er einst vor ein Krokodil gestoßen hatte, um sich selbst zu retten. Higgins’ Todesschreie waren noch lange durch den Busch gehallt. Die Fratze löste sich auf, wurde zu den dunklen Zügen von Pemulwuy, dem Regenbogenkrieger, der selbst im Tod voller Würde gewesen war. Weitere Gesichter tauchten auf, Männer, Frauen, Kinder, ein schrecklicher Reigen derer, die er getötet hatte oder an deren Tod er Schuld trug.
    Sie alle warteten auf ihn. Wollten ihn mit sich ins Dunkel ziehen.
    Keuchend vor Angst versuchte er, sich zu wehren, dem Unvermeidlichen die Stirn zu bieten. Aber sein Körper gehorchte ihm nicht mehr, seine Glieder waren bleischwer und fühlten sich taub an. In seinen Ohren summte es. Sein Herzschlag hallte in seinen Ohren, schnell und laut, padam, padam, padam . Dann schwächer, immer schwächer und schwächer … Noch einmal. Padam .
    Und dann … nichts mehr.

18.
    Moira tauchte die Feder in die Tinte, strich den Kiel am Rand des Tintenfasses ab und begann zu schreiben. Die Spitze kratzte über das Papier, aber schon nach den ersten Worten stockte sie und ließ die Feder sinken.
    Â»Liebe Ivy«, war da zu lesen. Mehr nicht. Alles, was ihr einfiel, erschien ihr nach den entsetzlichen Ereignissen auf dem Marktplatz und dem, was darauf gefolgt war, plötzlich unsäglich banal.
    Gestern, am Freitag, war Verhandlung gewesen. Moira hatte mit Duncan im Gerichtsgebäude gesessen und mit angehört, wie der Richter Joseph wegen Mordes zum Tode verurteilt hatte. Am Montag sollte er in Parramatta gehängt werden. Anschließend würde sein Körper den Ärzten übergeben werden, um – wie jeder Mörder – »seziert und zergliedert« zu werden.
    Seit dem Urteilsspruch hatten Moira und Duncan nichts unversucht gelassen, was ihnen zu Josephs Rettung einfiel. Vor allem hatten sie sich darum bemüht, beim Gouverneur vorgelassen zu werden. Gouverneur King hatte vor anderthalb Jahren Duncan begnadigt – jetzt war ihre letzte Hoffnung, dass der Gouverneur auch diesmal Gnade vor Recht ergehen ließe. Aber Mr King war zu einigen Farmen am Hawkesbury aufgebrochen und habe, so beschied ihnen zu mindest ein blasierter Hausdiener, auch nach seiner Rückkehr sicher weder Zeit noch Muße, sich mit dieser Sache zu befassen. Jetzt war Duncan bei Wentworth, um mit dessen Einfluss doch noch beim Gouverneur vorstellig werden zu dürfen.
    Moira seufzte und wandte sich wieder dem Brief ihrer Schwester zu, der vor wenigen Tagen an Bord eines Sträflingsschiffs aus Cork angekommen war; ein Nachbar hatte in Sydney die Post abgeholt und Moira den Brief mitgebracht. Sie hatte Ivys Zeilen inzwischen so oft gelesen, dass das Papier schon ganz abgegriffen war, hatte die geschwungene Schrift wieder und wieder überflogen. Ivy schrieb, sie sei verliebt: Vor kurzem habe sie sich mit einem jungen Mann aus gutem Hause verlobt, der auch Gnade vor den Augen ihrer Eltern gefunden habe. Im Juli solle die Hochze it stattfinden. Ivy bedauerte, dass ihre Schwester nicht daran teilnehmen könne, aber wenn dieser Brief sie erreiche, sei sie ohnehin schon Mrs Charles Everbroke. Dann folgte eine blumige Auflistung von Charles’ Vorzügen und Tugenden. Als Moira diese Zeilen las, huschte ein kurzes Lächeln über ihr Gesicht; Ivy hatte noch immer etwas von einem kleinen Mädchen, das von ihrem Prinzen träumte. Zum Ende des Briefs fragte Ivy auch nach Moiras neuer kleiner Familie. Ob das Kind, mit dem sie schwanger gewesen war, ein Junge oder ein Mädchen geworden sei und wie sie es ge nannt hätten, ob es seinem Vater ähnele, ob Moira glücklic h mit Duncan sei, ob er sie gut behandele und wie er eigentlich aussehe.
    Dem Brief waren ein paar Zeilen von Moiras Vater beigefü gt; er ließ sie grüßen und wünschte ihr alles Gute. Von ihrer Mutter war kein Wort gekommen. Eleanor Delaney hatte ihrer ältesten Tochter offensichtlich nicht verziehen, dass diese ihren Mann, einen

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