Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Verantwortung bewusst, die er zu tragen hatte, wenn er die Beziehung intensivierte. Wollte er das wirklich? Ein Teil von ihm wollte eine Zukunft mit ihr, aber war das genug?
    Nachdenklich schwieg Liam auf dem Rest des Weges und versuchte, auf die gleiche Weise glücklich zu sein wie Marina. Er war glücklich, ein wenig verliebt sogar, doch die Unbeschwertheit wie damals mit Johanna wollte sich nicht einstellen. Mit Marina gelang es ihm nicht, die Welt zu vergessen.
    Es war eine nüchterne Zuneigung, und er fragte sich, ob diese nicht vielleicht die bessere war. Johanna und er waren aneinander verbrannt, wie zwei verirrte Falter in einer Fackel. Marinas Nähe wärmte ihn, aber er verglühte nicht.
    Als sie fast da waren, küsste Liam seine Begleiterin auf die Wange. Ihre Haut war weich wie Seide. Schüchtern und unerfahren hielt sie still. Dann drückte er behutsam seine Lippen auf ihre. Marina schloss die Augen. Ihr Atem bebte, während er den Kuss langsam steigerte, an ihren Lippen zupfte und die linke Hand an ihren Hinterkopf schmiegte.
    Für einen kurzen Augenblick tauchte seine Zunge in ihren Mund und stiftete heillose Verwirrung.
    Als er sich wieder aufrichtete, legte Marina die Hand auf ihre Lippen und lächelte verzaubert.
    Die Kutsche rollte in den Hof. Es blieb keine Zeit mehr für ein Gespräch oder einen romantischen Abschied.
    Adam schien bereits auf ihre Heimkehr gewartet zu haben. Er winkte Liam durch das Fenster des Salons zu. Sobald er mit Marina das Haus betrat, kam Adam ihm durch den Flur entgegengeeilt und winkte ihm erfreut. In seiner Hand hielt er einen Brief.
    Marinas Blick sprach mehr als tausend Worte. » Gute Nacht « , hauchte sie, winkte ihrem Bruder kurz zu und stieg mit geröteten Wangen die Treppe hinauf.
    » War das Stück gut? « , begrüßte Adam seinen Freund.
    » Ja. Aber ich sehe, du hast Post bekommen? Willst du deine Neuigkeiten mit mir teilen? «
    Adam lud ihn mit einer Geste ein, ihm in den Rauchsalon zu folgen.
    » Erst möchte ich wissen, weshalb meine Schwester so strahlt, wenn sie in deiner Nähe ist, dann teile ich meine spärlichen Neuigkeiten mit dir. «
    Liam schwieg, während Adam beiden einen Cognac eingoss und sie es sich in zwei Sesseln gemütlich machten. Er ließ die bernsteinfarbene Flüssigkeit im Gefäß kreisen, bis sie sich als tanzender Schleier an dem Glas absetzte.
    » Nun? « Adam ließ nicht locker.
    Liam räusperte sich und hob den Kopf. Sein Freund erwiderte seinen Blick erwartungsvoll. Plötzlich schlug Liams Herz schneller als noch Augenblicke zuvor in Marinas Nähe.
    » Ich überlege, um die Hand deiner Schwester anzuhalten, Adam. «
    » Aber das ist ja wundervoll! « , sagte er, als träfe ihn dieses Bekenntnis völlig unerwartet. » Lass uns darauf anstoßen. «
    Liam drehte das Glas in der Hand. » Ich habe gesagt, dass ich darüber nachdenke, nicht, dass ich es tue. «
    » Ach, da gibt es nicht viel nachzudenken, Liam. Meine Schwester ist die wunderbarste Frau an diesem gottverlassenen Ende der Welt. Ich würde sie ja selber heiraten, aber mir sind die Hände gebunden. « Er lachte und stieß sein Glas gegen das von Liam. Dieser kippte den Alkohol hinunter wie bittere Medizin und verzog den Mund.
    » Du bist mir in jedem Fall willkommen, als Freund und als Schwager. Überleg nicht zu lange. «
    » Ich habe Marina noch nicht gefragt. «
    » Über ihre Antwort würde ich mir am wenigsten Sorgen machen. Sie bekommt rote Ohren, sobald ich dich nur erwähne. Das geht schon seit Monaten so. «
    Liam wurde das Gespräch zunehmend unangenehm. Er stand auf, füllte sein Glas nach und wies auf den Brief, den Adam auf den Tisch gelegt hatte.
    » Was gibt es nun für Neuigkeiten? «
    » Nichts Besonderes. Ein wenig Klatsch, mit dem man sich hier behelfen muss. Mir hat eine junge Frau geschrieben, die du sicherlich auch noch kennst. Der Kreis in London war ja nicht allzu groß. Meine Cousine Sophie war mit ihr befreundet. Stell dir vor, Chesters Tochter ist auch in Neuseeland. Sie hat einen aus der Waters-Familie geheiratet. «
    Thomas stockte der Atem, während Adam munter weiterplauderte. » Waters zieht anscheinend ein großes Geschäft im Holzhandel auf und plant mehrere eigene Sägewerke. Ihr Familienimperium in England hat ja schon früh auf die Dampfmaschinen gesetzt, er muss einige mitgebracht haben. Sie wohnen gar nicht so weit weg. «
    Liam versuchte, erstaunt zu klingen.
    » Johanna Chester hat dir geschrieben? «
    Adam hielt irritiert inne. Liams