Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
konnte.
» Sei bitte vorsichtig und hör auf das, was Father Blake sagt « , ermahnte er sie. Seine Worte klangen besorgt und nicht wie ein Befehl.
» Versprochen. Father Blake hatte noch nie Probleme und kennt die Leute schon seit Jahrzehnten. Ich werde vorsichtig sein. «
» Es wäre mir lieber, du würdest einen meiner Männer zum Schutz mitnehmen. Arthur kann ich nicht entbehren, aber… «
» Thomas. « Diese Unterhaltung führten sie nicht zum ersten Mal, und Johanna antwortete immer das Gleiche:
» Die Kerle, die du beschäftigst, sind allesamt zwielichtige Raufbolde. Sie würden nur Probleme machen, abgesehen davon… hast du bemerkt, wie sie mich ansehen? Als wären sie seit Jahren keiner Frau begegnet und völlig ausgehungert. Sie machen mir Angst. Mit denen will ich nicht allein unterwegs sein. «
Kurz bekam Thomas’ Blick einen fiebrigen Glanz, dann nickte er.
» Aber dieser Tamati Maunga reist mit euch? «
Abigails Ehemann schien der einzige Maori der gesamten Nordinsel zu sein, dem Thomas zumindest ein wenig Vertrauen entgegenbrachte. Auf dem langen Ritt von Petre nach Lake Tarapunga hatte er es sich verdient. Tamati hatte zwar deutliche Worte gefunden, als er Thomas erklärte, dass er nie wieder für ihn arbeiten würde, diese Reise jedoch war ja nicht die Idee des verhassten Pakeha. Wie die meisten Maori in Urupuia unterschied auch Tamati zwischen Johanna und ihrem Ehemann, als hätten sie nichts miteinander zu schaffen.
» Ja, er kommt mit, Thomas. Ich habe ihm schon einmal mein Leben anvertraut und würde es immer wieder tun. « Sie lächelte.
Thomas gab sich geschlagen.
» Wenn du wieder zurück bist, können wir umziehen. Freust du dich? «
In diesem Moment verließen sie den Talweg. Die wenigen verbliebenen Bäume, krumm und schief, ihr Holz wertlos, gaben den Blick auf Lake Tarapunga und die Gebäude frei, die sich an seinem Ufer reihten. Das Sägewerk füllte die Luft mit Rauch, im Wasser davor dümpelten Baumstämme und warteten auf ihre Verarbeitung. Ein Pferdekarren brachte frisches Baumaterial den Hang zum Bauplatz hinauf.
Johannas Blick folgte dem Gefährt, dann blieb ihr für einen Moment der Atem weg. Thomas hatte nicht zu viel versprochen. Das Haus, nein, Anwesen, war wirklich beinahe fertig. Das Dach war bereits zur Hälfte mit hellen Holzschindeln gedeckt, die Wände vollständig gestrichen, und zwei Männer arbeiteten gerade an der breiten Veranda.
» Es wird wunderschön, Thomas! «
Er schwieg und beobachtete, wie sie fasziniert die großen Bogenfenstern, den verzierten Giebel und die Säulen betrachtete, die dem Eingang etwas Herrschaftliches gaben.
» Glaubst du, wir können dort glücklich werden? « , fragte er schließlich, lenkte sein Pferd näher an ihre Stute und drückte ihre Hand. Johanna nickte langsam und noch immer staunend. Das Haus würde es ihr auf jeden Fall leichter machen, mit Thomas zu leben. Es war groß, sie konnten einander aus dem Weg gehen.
» Ja, das werden wir. «
Die Trennung von Thomas war ihr an diesem Tag zum ersten Mal seit der Schießerei nicht wie eine Befreiung vorgekommen. Er setzte wirklich alles daran, sie glücklich zu machen, das war ihr beim Anblick des Hauses klar geworden. Auf die Idee, das Anwesen von einem kunstfertigen Maori verzieren zu lassen, wäre er sicherlich nicht ohne sie gekommen.
Johanna drehte sich im Sattel um und sah noch einmal zurück: Da stand es, das Haus, ihr Haus! Durch das frische Holz und die weiße Farbe leuchtete es jungfräulich und spiegelte sich als heller Schemen im See.
Bedauerlicherweise würde sie es bald nicht mehr sehen können, doch nun wartete ein lang ersehntes Abenteuer auf sie. Johanna spürte den Drang ihrer Stute, die Beine zu strecken. Mit einem leisen Schnalzen gab sie dem Tier die Erlaubnis, und schon fiel Star in einen sanften Galopp. Die beiden schweren an ein Seil gebundenen Packpferde folgten, und die Erde unter ihren Hufen dröhnte, auch sie schienen das Tempo zu genießen und schüttelten übermütig die langen Mähnen.
Der Ritt zu der kleinen Maori-Siedlung verging wie im Flug. Bald durchquerte Johanna sorgsam bestellte Felder mit Süßkartoffeln und halbhohen Flachstauden, die orange Blüten trugen. Kinder spielten am Ufer, angelten oder beobachteten die Männer, die ein langes, schlankes Boot mit kräftigen Ruderschlägen durch das Wasser trieben.
Johanna blieb nicht lange unbemerkt. Schon bald liefen mehrere kleine Jungen vor ihr her und verkündeten lautstark,
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