Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Pfeile aus Eis. Der nächste traf Tamati und enthielt eine Mischung aus Verachtung und Ekel.
    » Wo ist Remington? « , wollte Tamati wissen und erwiderte standhaft ihren Blick.
    Johanna wies hinter sich.
    » Er sattelt die Pferde, was sonst. «
    Tamati nickte, griff nach seinem Gepäck und der Flinte und ging in die Richtung, in die Johanna gewiesen hatte. Abigail bekam es plötzlich mit der Angst. Was, wenn er doch…?
    » Tamati? «
    Er fuhr herum. In seinen Augen stand leuchtend das Geheimnis, das sie teilten.
    » Nicht… « , hauchte sie nur. Er nickte, wusste, worum sie ihn bat, dann war er auch schon fort.
    Abigail ging Johanna schnell und schweigsam zur Hand. Nicht ein Wort fiel, bis sie gemeinsam alles verpackt hatten. Das Gefühl, dass ihr Johanna einen starken Widerwillen entgegenbrachte, blieb. Abigail fühlte ihren Blick auf sich ruhen, als hätte sie ein Teufelsmal. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus.
    » Was ist geschehen, Mrs Waters, womit habe ich Sie erzürnt? «
    Die Angesprochene richtete sich auf und stieß abfällig die Luft aus.
    » Es ist schlimm genug, dass du so etwas Schändliches tust, darüber zu sprechen… «
    » Was? Was soll ich getan haben? «
    » Arthur hat euch gesehen. Dich und den Wilden, wie ihr in den Büschen Unzucht getrieben habt! «
    Abigail presste entsetzt eine Hand auf den Mund, und sie konnte die Tränen nicht zurückhalten.
    » Das ist eine Lüge, eine verdammte Lüge! « Sie sah sich gehetzt um, doch die Männer waren nirgends zu sehen.
    Abigail fasste Johanna bei den Händen und sah sie beschwörend an. » Sie müssen mir glauben! Er lügt, es war genau das Gegenteil! «
    Zweifel erschien in Johannas Gesicht. Sie zog die Brauen zusammen, bis sich über ihrer Nase eine scharfe Falte emporwuchs.
    » Dann sag mir, was geschehen ist. Ich will es aus deinem Mund hören. «
    » Ich war als Einzige früh auf und nahm ein Bad im See. Sie haben mir doch gestern das wunderbare Stück Seife gegeben. Als ich aus dem Wasser kam, hat Mr Remington mir aufgelauert. Er hat mich bedrängt, doch ich konnte gerade noch weglaufen. «
    Johanna schüttelte ungläubig den Kopf.
    » Und dann? Du bist nicht mit ihm wiedergekommen, sondern mit Tamati. «
    » Ich hatte Angst und bin geflohen. Tamati hat mich gefunden und versteckt, bis Arthur fort war. So war es und nicht anders. « Sie wischte energisch die Tränen von ihren Wangen und stemmte die Hände in die Hüfte. » Und wenn ich entscheiden müsste, ob ich mit einem Wilden im Wald zusammen bin oder mit Mr Remington in einem Bett, dann entscheide ich mich für Tamati, damit Sie es wissen. Remington ist ein widerlicher Kerl! «
    Johanna schüttelte entrüstet den Kopf.
    » Kein Wort mehr davon. Ich habe weder gehört, was Arthur gesagt hat, noch deinen Bericht. Gott gebe, dass nichts davon wahr ist. «
    Abigail nickte und schulterte Schlafrollen und Taschen. Als sie die Pferde erreichten, war Tamati gerade dabei, Johannas Stute zu satteln.
    Arthur würdigte Abigail keines Blickes, und sie war darüber sehr erleichtert. Vielleicht gab er auf? Sie hoffte es, betete zu Gott, doch glauben konnte Abigail es nicht.

    Johanna tat es schon bald leid, dass sie Abigail nicht sofort geglaubt und sie unterstützt hatte. Arthur Remington war alles zuzutrauen, und die Blicke, mit denen er Abigail taxierte, waren ihr schon früher aufgefallen. Von nun an würde sie darauf achten, dass sie keinen Moment mehr mit ihm allein war.
    Seit dem Aufbruch vom See waren sie schon eine ganze Weile bergauf geritten, als sich der Wald zu lichten begann. Hier und da fehlten Stämme. Aus den hellen Stümpfen quoll Harz. Ganz in der Nähe musste es einen Hof oder eine Siedlung geben, in der fleißig gebaut wurde. Auffrischender Wind trug den Geruch von Rauch zu ihnen herüber, und Johanna musste unwillkürlich daran denken, wie schön es sein würde, bei freundlichen Menschen unterzukommen und ein schlichtes, aber warmes Mahl zu sich zu nehmen.
    Tamati und Arthur hatten mit ihren Pferden auf einer Kuppe angehalten. Johanna schloss auf und wollte unbedingt sehen, was die Männer so faszinierte, dass sie den Blick nicht mehr abwenden konnten.
    Das Tal war auf weiter Fläche gerodet. Rinder und Schafe liefen über fette Wiesen. Häuser, die einmal eine kleine Ansiedlung gebildet haben mussten, erstreckten sich auf beiden Seiten eines Bachlaufs. Jetzt waren sie zerstört.
    Hier und da flackerten noch Brände zwischen den verkohlten Balken. Steinerne Schornsteine