Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
ragten wie Mahnmale aus der totalen Verwüstung hervor.
Als Johanna neben einer schwelenden Scheune die seltsam verdrehte Gestalt eines toten Mannes entdeckte, war es mit ihrer Ruhe endgültig vorbei.
» O mein Gott! « Sie presste die Hand auf den Mund, wendete ihre Stute und preschte ein Stück den Weg zurück, bis sie Abigail erreichte, die sich mit den Packpferden mühte.
Am liebsten wäre Johanna an ihr vorbei- und immer weitergaloppiert. Kein Zweifel, das war das Werk von grauenhaften Wilden, von Maori, die irgendwo, unsichtbar wie Geister, im undurchdringlichen Dschungel untergetaucht waren und dort auf sie lauerten.
» Ma’am, was ist passiert? « , fragte Abigail mit wachsender Unruhe.
Johanna schüttelte nur den Kopf. Sie hatte sich geirrt. Neuseeland war ein schreckliches Land. Sie wollte hier nicht bleiben, sondern heim nach England. Hätte sie nur den Rat des Farmers in Petre ernst genommen.
Doch schon rief Arthur nach ihnen. Sie sollten dicht zusammenbleiben. Er hielt sein geladenes Gewehr in der Hand und wies ins Tal.
Johanna antwortete nicht, umklammerte nur die Zügel und versuchte nicht zu sehen, was für ein Grauen am Fuß des Hügels auf sie wartete.
Tamati war bereits in die zerstörte Ansiedlung geritten und trieb sein Pferd von einem Gebäude zum anderen. Die Mörder waren alle fort. Überlebende, wenn es welche gab, trauten sich beim Anblick ihres Furcht einflößenden Begleiters nicht hinaus.
Die Pferde schnaubten nervös, während ihre Reiter sie den Berg hinuntertrieben.
» Mein Gott, was ist hier nur geschehen? « , brachte Abigail heraus. » Die armen Leute. «
» Die Pakeha sind alle geflohen, keine weiteren Leichen « , sagte Tamati, als sie bei ihm angekommen waren.
» Hallo? Ist hier jemand! « , rief Arthur und ritt tiefer in die Siedlung.
Johanna, deren Pferd immer panischer wurde, ließ sich hastig aus dem Sattel gleiten und hielt die Stute am Zügel. Star tänzelte mit aufgerissenen Augen und Nüstern um ihre Herrin herum, dann blieb sie endlich stehen.
» Die Krieger sind fort. Anscheinend haben sie das Dorf im Morgengrauen angegriffen, als die Leute schliefen « , erklärte Tamati.
Johanna starrte den Maori fassungslos an. Erst jetzt bemerkte sie, dass er nicht nur seine Muskete griffbereit hatte, sondern auch einen kurzen flachen Prügel, der an einer Lederschlaufe um sein Handgelenk hing. Tamati schien dem Frieden nicht recht zu trauen. Er suchte die Waldgrenze ab.
» Warum haben deine Leute diese friedlichen Menschen angegriffen? « , wollte Johanna wissen und lehnte sich gegen das tröstend warme Fell ihrer Stute.
» Wer sagt, dass die Pakeha friedlich waren? « , entgegnete Tamati mit leisem Zorn in der Stimme und sprang aus dem Sattel. » Vielleicht haben sie die Maori erschlagen, auf deren Land sie ihre Hütten gebaut haben, vielleicht sind die Menschen durch eure Krankheiten gestorben oder verrückt geworden! Abgesehen davon sind das hier nicht meine Leute gewesen. Ich komme aus Urupuia, und dort herrscht Frieden. «
Johanna schluckte. Tamatis Zorn war noch lange nicht verraucht. Sie nahm all ihren Mut zusammen und sagte:
» Aber du hast selbst gesagt, dass wir nur noch einige Tagesritte vom Tal des Windes entfernt sind. Wie kann dort Frieden herrschen, wenn hier Krieg ist? «
» Das ist kein Krieg, das war nur ein Überfall. Jeder Dorfrat und jeder Häuptling entscheidet selbst, ob die Waffen erhoben werden. Es sieht aus, als hätten sie nur Vergeltung gesucht. Der Ehre ist hiermit Genüge getan. Sie sind in ihr Dorf zurückgekehrt. Wir Maori sind nicht wie die Pakeha. Wir ziehen nicht zu Tausenden in den Kampf, nur weil irgendein König oder Häuptling, den wir noch nie mit eigenen Augen gesehen haben, plötzlich Streit mit einem anderen hat! «
Johanna schüttelte den Kopf. Sie verstand dieses Volk nicht. Seine Denkweise unterschied sich grundlegend von ihrer. Sie wusste nur eines:
» Wir müssen den armen Mann begraben! Er kann nicht so liegen bleiben. «
Tamati nickte zustimmend.
» Ich kümmere mich darum, Ma’am. «
Die zerstörte Siedlung lag vier Tagesritte hinter ihnen, und sie hatten keinerlei weitere Anzeichen für kriegerische Auseinandersetzungen entdeckt.
Johanna schloss den ermordeten Farmer seitdem morgens und abends in ihre Gebete ein, dem Tamati ganz allein ein Grab geschaufelt hatte, als fühle er sich doch mitschuldig an seinem Tod. Johanna hatte sich mit dem Maori und seiner merkwürdigen Weltanschauung versöhnt.
Es
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