Im Taumel der Herzen - Roman
Gedanken, dass er leiden musste, nicht ertragen. Da begriff ich, dass von meiner alten kindlichen Abneigung gegen ihn nichts mehr übrig war.«
»Sie spuckt immer noch hin und wieder Feuer«, bemerkte Richard mit einem zärtlichen Blick auf sie, »aber wenn man sie auf der eigenen Seite weiß, ist das eigentlich recht liebenswert. «
Julia hätte wegen dieser Bemerkung fast den Faden verloren, weil Richard so stolz auf sie klang, schaffte es dann aber doch, weiterzusprechen: »Ich bin schnurstracks zum Hafen geeilt, wo ich das Gefangenenschiff gerade noch vor dem Auslaufen antraf. Außerdem stieß ich dort auf Richards Freund, der ebenfalls nach ihm suchte …«
»Es weiß noch jemand darüber Bescheid?«, unterbrach Milton sie in scharfem Ton.
Richard zog eine Augenbraue hoch. »Dachtest du wirklich, ich würde mich ganz allein in die Höhle des Löwen begeben? Ich reiste in Begleitung eines Freundes, er war nur gerade nicht im Raum, als deine Lakaien mich verschleppten. Trotzdem wusste er genau, wo er nach mir suchen musste. Leider fand er keine Gelegenheit, um mich aus der Gewalt der Wachen zu befreien, die mich nach London eskortierten. Anschließend vergeudete er eine ganze Woche, weil er fälschlicherweise dachte, ich wäre in einem Hafengebäude eingesperrt, für dessen Stürmung eine kleine Armee nötig gewesen wäre. Er hatte nicht mitbekommen, dass man mich zur Hintertür hinausgebracht und umgehend auf das Schiff gebracht hatte.«
Aus drei triftigen Gründen waren sie übereingekommen, dem Grafen eine völlig andere Version der Rettungsaktion zu erzählen. Zum einen wollte Richard seinen Vater nicht in dem Glauben lassen, nur er und Julia wüssten darüber Bescheid, wie Milton das Gesetz umgangen hatte, um seinen Sohn einsperren zu lassen. Wenn jemand anders, noch dazu ein Freund von ihnen, ebenfalls davon wusste, überlegte der Graf es sich bestimmt zweimal, ehe er es erneut versuchte. Hätten sie ihm jedoch von James Malorys Beteiligung an der Sache erzählt, hätte das die gegenteilige Wirkung haben können, denn dass ein anderer Lord von seinen Übergriffen wusste, hätte Milton vielleicht in Panik versetzt. Ihre vereinfachte Variante der Geschichte erlaubte es ihnen, hinsichtlich James’ Unterstützung Stillschweigen zu bewahren. Als dritter Punkt kam schließlich noch hinzu, dass ihnen die Version mit der schnelleren Rettung fast eine Woche mehr Zeit zum »Verlieben« ließ als die wenigen Tage an Bord der Maiden George .
Julia fühlte sich inzwischen selbstsicher genug, um den Bericht abzuschließen: »Sein Freund hatte gerade erst herausgefunden,
wohin man Richard tatsächlich gebracht hatte, und beabsichtigte genau wie ich, ihn von dem Schiff herunterzuholen, wenn auch mit wesentlich brutaleren Mitteln. Doch ich gab ihm genug Geld, sodass er es stattdessen auf die einfache Art tun konnte. Wachleute sind so leicht zu bestechen. Angesichts der hohen Summe, die ihnen in Aussicht gestellt wurde, konnten sie es kaum erwarten, Richard zu übergeben.«
Ohne jede Gefühlsregung hörte Milton sich an, wie sein Plan vereitelt worden war. »Und jetzt?«, fragte er in gepresstem Ton.
Richard musste doch tatsächlich lachen. »Ich nehme an, du hast mich nicht verstanden, Vater. Julia und ich werden heiraten, aber nicht wegen jenes albernen Vertrages, sondern weil es unser Wunsch ist. Schon eine erstaunliche Sache, die Liebe. Sie bringt einen sogar dazu, Menschen zu vergeben, die keinerlei Vergebung verdient haben.«
Richards Ton hatte sich merklich abgekühlt. Julia empfand einen Anflug von Panik. Meinte er damit sie? Oder seinen Vater? Aber natürlich ging das an die Adresse seines Vaters. Julia begriff, dass es alles andere als normal gewesen wäre, wenn Richard so getan hätte, als wäre er wegen der Übergriffe seines Vaters nicht böse. Außerdem verlieh es seinem Auftritt viel mehr Glaubwürdigkeit, wenn er solche kleinen bitteren Bemerkungen einfließen ließ.
Um von der plötzlichen Spannung zwischen Vater und Sohn abzulenken, sagte sie zu Milton: »Sie haben sicher nichts dagegen, wenn ich einen der größeren Räume im Erdgeschoss herrichten lasse? Vielleicht das Musikzimmer?«
Stirnrunzelnd sah der Graf sie an. »Wozu denn das?«
»Sie möchte ausgerechnet hier heiraten«, antwortete Richard an Julias Stelle. »Sie hat sich als Kind in Willow Woods verliebt – trotz der Tatsache, dass ich hier lebte«, fügte er mit einem verschmitzen Lachen hinzu.
Ehe der Graf ablehnen konnte, fuhr
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