Im Taumel der Herzen - Roman
bei ihm entdecken können. Offenbar hatte er Bedenken — oder brauchte mehr Beweise dafür, dass sie und Richard es ehrlich meinten. Wie zum Beispiel eine wirkliche Heirat.
Dieser Gedanke ließ sie in hysterisches Gelächter ausbrechen, das sie sich jedoch abrupt verbiss, als die Tür aufschwang und Richard hereinkam.
Julia schoss vom Bett hoch und wirbelte dadurch eine weitere
Staubwolke auf, die sie mit beiden Händen wegzuwedeln versuchte, während sie entrüstet bemerkte: »Du weiß wohl noch nicht, wie das mit dem Anklopfen funktioniert!«
Leise zog er die Tür hinter sich zu. »Bald sind wir verheiratet, dann wird nicht mehr geklopft.«
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Auch dann hast du nicht das Recht, dir solche Freiheiten herauszunehmen.« Flüsternd fügte sie hinzu: »Selbst wenn wir heiraten würden .«
Er grinste sie nur an. Als er dann jedoch den Blick durch den Raum schweifen ließ, verzog er angesichts seines erbärmlichen Zustandes das Gesicht: »Ich hatte sehr gehofft, dein Zimmer wäre in besserem Zustand als meines, aber dem ist offensichtlich nicht so. Willow Woods ist wirklich sehr heruntergekommen. «
»Ein weiterer Beweis dafür, wie froh dein Vater über unsere Heiratspläne sein sollte. Er scheint sich finanziell ja in einer verzweifelten Lage zu befinden.«
»Er war schon immer gierig, aber inzwischen trifft verzweifelt es wohl eher. Die Spielschulden, die ich ihm hinterlassen habe, dürften seine Misere noch gewaltig verschlimmert haben. Allem Anschein nach musste er sich von Charles’ Schwiegervater Geld leihen, um die Schulden begleichen zu können.«
»Du begeisterst dich für das Glücksspiel?«
»Nein, eigentlich nicht. Ich habe damals absichtlich verloren, um ihn dazu zu bringen, sich von mir loszusagen. Als das nicht funktionierte, bin ich stattdessen außer Landes gegangen. «
Nach all den Jahren wusste sie kaum noch etwas über Richard. Seinen früheren Snobismus hatte er jedenfalls abgelegt. War er überhaupt jemals ein Snob gewesen? Oder hatte ihn nur seine Wut über die ganze Situation zu den gemeinen Bemerkungen veranlasst, an die sie sich erinnerte?
Wie auch immer, sein Auftritt vorhin war bemerkenswert
gewesen, und das sagte sie ihm auch: »Unten bei deinem Vater warst du ganz erstaunlich. Wie hast du das so hinbekommen? Du kannst deine Gefühle so gut verbergen! Sogar ich habe dir geglaubt!«
Er errötete leicht. »Es tut mir leid, dass ich dich derart in Verlegenheit bringen musste, aber mein Vater ist ein sehr misstrauischer Mensch. Wenn etwas von der Norm abweicht, will er wissen, warum. Und was wir beide hier versuchen, ist meilenweit von jeder Norm entfernt.«
»Glaubst du , dass er uns die Geschichte abgekauft hat?«
»Das ist im Moment schwer zu sagen. Ich kenne ihn im Grunde gar nicht mehr. Als ich England vor neun Jahren verlassen habe, hätte er etwas so Schreckliches wie das, was er mir vor Kurzem antun wollte, niemals gemacht. Wobei er schon damals durchaus Tendenzen in diese Richtung zeigte, denn seine Strafen wurden nach und nach immer härter. Doch selbst wenn er uns vorhin nicht auf den Leim gegangen ist, bleibt ihm kaum etwas anderes übrig, als mitzuspielen. Der Geldsegen, den wir ihm in Aussicht stellen, ist zu groß, als dass er es sich leisten könnte, ihn sich durch die Lappen gehen zu lassen. Falls er uns aber doch glaubt … nun, dann schätze ich mal, er hat einfach vergessen, wie man liebenswürdig zu anderen Menschen ist.«
»Ich kann mich nicht daran erinnern, ihn jemals liebenswürdig erlebt zu haben.«
Im Grunde stimmte das nicht.
Während ihrer Kindheit war ihr der Graf nicht anders erschienen als die übrigen Erwachsenen, die sie kannte. Seine Streitlust war erst zutage getreten, als die Situation sich damals verschlechterte und ihr Vater versuchte, die Beziehung zwischen ihren Familien zu beenden.
Nun wurde Julia plötzlich bewusst, dass sowohl sie als auch Richard längst nicht mehr flüsterten. Rasch eilte sie zur Tür,
öffnete sie und spähte in beide Richtungen den Gang hinunter, ehe sie sie seufzend wieder schloss. »Wir müssen wirklich vorsichtiger sein, solange wir uns hier aufhalten. Wir können es uns nicht leisten, belauscht zu werden!«
»Warum gehen wir nicht nach draußen und genießen das schöne Wetter?«, schlug er vor. »Dann haben die Hausmädchen auch Gelegenheit, unsere Zimmer sauber zu machen.«
Julia fand, dass das eine großartige Idee war, insbesondere, weil sie draußen offen sprechen konnten,
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